Kein Recht auf Faulheit?

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In unserer Gesellschaft gibt es kein Recht auf Faulheit, behaupten Politiker wie Altbundeskanzler Schröder oder Unternehmer und Manager gerne, und sie meinen damit, dass Arbeitslose gefälligst jeden noch so miesen Job zu jedem noch so niedrigen Lohn anzunehmen hätten, um nicht der Arbeitslosenversicherung – in die sie immerhin zuvor in der Regel jahrelang eingezahlt haben – bzw. bei längerer Arbeitslosigkeit dem Staat – an den sie immerhin zuvor in der Regel jahrelang Steuern gezahlt haben – finanziell zur Last zu fallen.

Was aber ist mit jenen, die nicht arbeiten müssen, weil sie von ihrem Vermögen bzw. der Rendite ihres Vermögens leben können? Was ist mit Kindern, Kranken und Behinderten, Rentnern und Pensionären? Letztlich leben alle, die nicht arbeiten, von dem, was andere für sie erarbeiten, ob es sich nun um Bezieher von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, Renten oder Pensionen, Mieten, Zinsen oder Dividenden handelt. Und selbst jene, die nur ihr Vermögen verbrauchen, leben entweder von Ererbtem – und damit gleichfalls vom Geld anderer Leute – oder von Gewinnen, die sie selbst über das durchschnittliche, zum Leben erforderliche Maß hinaus erzielt haben – und damit in der Regel letztlich ebenfalls auf Kosten anderer Menschen, die entsprechend weniger erhalten haben, sei es nun weniger Lohn oder weniger Unternehmens- bzw. Aktiengewinn. Da die Summe des weltweit Erarbeiteten begrenzt ist, lebt jeder Mensch, der mehr als das weltweite Durchschnittseinkommen erhält, aber nicht zugleich entsprechend mehr erarbeitet, logischerweise hinsichtlich dieses Teils auf Kosten anderer Menschen.

Dass ferner zwischen dem Einkommen und der erbrachten Leistung häufig keine rationale Relation besteht, dass also manche Menschen oder sogar die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung für viel und harte Arbeit vergleichsweise wenig Lohn und manche andere Menschen, und zwar relativ wenige, für das Tragen von Verantwortung oder das geschickte und/oder glückliche Agieren am Markt sehr viel Geld kassieren, ist bekannt. Auch ist offensichtlich, dass man durch Fleiß und harte Arbeit allenfalls einigermaßen wohlhabend, aber niemals wirklich reich werden kann: Dass ein Durchschnittsverdiener allein durch Sparen reich werden könne, ist nur ein häufig erzähltes Märchen zur Legitimation des real existierenden Kapitalismus, denn so viel Geld verdient ein Durchschnittsverdiener in Wahrheit in seinem ganzen Leben nicht. Wirklich reich kann man immer nur auf Kosten anderer Menschen werden, sei es als Unternehmer, Manager, Aktienspekulant, Großgrundbesitzer, Entertainer, Profisportler, Immobilienmakler, Abmahnanwalt etc., niemals aber durch gewöhnliche Lohnarbeit.

Warum also sollten jene, die wegen ihrer Jugend, ihres Alters, ihrer Gebrechen oder ihres Reichtums nicht arbeiten müssen, ethisch gerechtfertigt sein und ein Recht auf Faulheit haben, nicht aber jene, die arbeitslos sind, weil es in unserer Gesellschaft immer weniger regulär bezahlte Arbeit gibt? Was ist überhaupt vom Hohelied der Arbeit, das Politiker und Unternehmer so gerne singen, und vom Recht auf Arbeit, das Gewerkschaftler und Menschenrechtler so gerne fordern, zu halten?

Warum arbeiten?

Unstrittig ist, dass Arbeit gesamtgesellschaftlich notwendig ist, wenn wir unsere elementaren Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit und Unterhaltung befriedigen oder sogar in Wohlstand leben wollen. Die Güter, die wir verbrauchen, müssen zuvor erzeugt und verteilt werden. Die meisten Tätigkeiten, die der Erzeugung und Verteilung der Güter dienen, sind jedoch nicht so interessant und in sich befriedigend, dass wir sie liebend gerne machen würden. Man denke z. B. an Fließbandarbeit oder an Verkaufs- oder Bürotätigkeiten oder ähnlich monotone Arbeiten, wie sie in unserer Gesellschaft die Regel, nicht etwa die Ausnahme sind. Die meisten Menschen arbeiten also, weil sie Geld verdienen müssen. Arbeit ist demnach überwiegend ein notwendiges Übel, keine in sich sinnvolle, befriedigende Tätigkeit. Die Verklärung der Arbeit zu einem an sich – und nicht nur wegen des Geldes und der Endprodukte – begehrenswerten Gut oder zur heiligen Pflicht oder gar zum Lebenssinn, wie sie von vielen Politikern, Unternehmern und Managern betrieben wird, ist deshalb reichlich lebensfremd.

Natürlich gibt es Ausnahmen: Wer wissenschaftlich oder künstlerisch oder unternehmerisch tätig ist, hat in der Regel sein Hobby zum Beruf gemacht und wird damit glücklich sein. Als Arbeit im üblichen Sinne entfremdeter Lohnarbeit kann man solche Tätigkeiten aber sicherlich nicht bezeichnen. Ferner versuchen inzwischen viele Unternehmen, monotone Fließbandarbeit durch Gruppenarbeit zu ersetzen, wodurch die Arbeit des einzelnen Mitarbeiters abwechslungsreicher wird und der Mitarbeiter häufig zufriedener ist. Zum Hobby wird die Arbeit dadurch allerdings meistens trotzdem nicht. Außerdem hat die Gruppenarbeit für den einzelnen Mitarbeiter auch Nachteile: Musste er früher nur in blindem Gehorsam die Befehle des Vorgesetzten ausführen, trägt er nun Verantwortung für das Gruppenergebnis – und erfährt nicht selten massiven Druck von Kollegen, wenn seine Leistungen z. B. aufgrund von Alter oder Krankheit nachlassen. Disziplin wird so durch Selbstdisziplin ersetzt, Druck nicht mehr direkt vom Chef, sondern auf dem Umweg über die Kollegen ausgeübt.

Rationalisierung, Automatisierung und das Verschwinden der Arbeit

Teils um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, vor allem aber um mehr Güter in der gleichen Zeit und/oder mit weniger Aufwand produzieren zu können, erforschen die Unternehmen Möglichkeiten zur Vereinfachung, Beschleunigung, Verbesserung und Verbilligung der Arbeitsprozesse. Letztlich geht es bei diesem Rationalisierung genannten Vorgang um die Verringerung von Arbeits- und/oder Materialkosten pro erzeugtem Stück, also um die Reduzierung der Stückkosten, und – wenn der Markt das hergibt – um die Ausweitung der Produktion. Sofern technisch möglich und finanziell von Vorteil, wird die Produktion sogar vollständig automatisiert.

Die zuvor in diesem Produktionszweig beschäftigten Arbeitnehmer werden dadurch arbeitslos, wenn das Unternehmen nicht in anderen Bereichen personellen Bedarf hat und die Mitarbeiter fachlich in der Lage sind, dort zu arbeiten. Insgesamt führen Rationalisierung und Automatisierung bei stagnierendem gesellschaftlichem Güterbedarf und gleich bleibender Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu einer stetigen Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen und stärken so die Position der Kapitalbesitzer/Arbeitgeber im Verteilungskampf.

Angesichts des Charakters der gewöhnlichen Lohnarbeit als notwendiges Übel wären Rationalisierung und Automatisierung auch aus Arbeitnehmersicht zu begrüßen, wenn die erzielten Einsparungen bei Zeit und Kosten an die Mitarbeiter weitergereicht oder zumindest mit ihnen geteilt würden. Tatsächlich aber sind die Produktivitätszuwächse seit mehreren Jahrzehnten für die Arbeitnehmer zur Bedrohung geworden. Denn bei schwachen Gewerkschaften, schwacher Nachfrage und starker internationaler Konkurrenz kommen die Vorteile von Rationalisierung und Automatisierung fast ausschließlich den Kapitalbesitzern/Arbeitgebern als Gewinn bzw. den Konsumenten in Form fallender Preise zugute, während die Nachteile wie Arbeitsverdichtung und Arbeitsplatzabbau die Arbeitnehmer zu tragen haben.

Das traditionelle Gegenrezept: Wirtschaftswachstum

Um die Arbeitsplatzverluste durch Rationalisierung zu kompensieren, hoffen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler seit mehr als dreißig Jahren auf ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum: Die Bürger sollen immer mehr und immer schneller konsumieren, damit das wachsende Warenangebot, das durch Rationalisierung und Automatisierung zwangsläufig entsteht, Abnehmer findet und es nicht zu Absatzkrisen, Firmenzusammenbrüchen und noch höherer Arbeitslosigkeit kommt. Auch hoffen Politiker und Wirtschaftswissenschaftler auf eine Ausweitung des Dienstleistungssektors und eine höhere Nachfrage nach Dienstleistungen wie Produktberatung, Gesundheitspflege, Kinder-, Alten- und Krankenbetreuung, Hilfe im Haushalt etc., denn dass der Markt für Autos, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik etc. sowohl im Inland als auch – zumindest auf längere Sicht – im Ausland wohl nicht beliebig erweiterbar ist, haben etliche Politiker und Wirtschaftswissenschaftler inzwischen erkannt.

In der Tat könnte eine Steigerung des Konsums von Waren und Dienstleistungen, wenn sie die Steigerung der Produktion von Waren und Dienstleistungen aufgrund von Rationalisierung und Automatisierung kompensierte oder sogar überträfe, Arbeitsplatzverluste verhindern helfen bzw. neue Arbeitsplätze entstehen lassen. Allerdings lehren uns die letzten dreißig Jahre, dass wir auf ein Wirtschaftswachstum, das zu einer wesentlichen Reduzierung der Zahl der Arbeitslosen führt, wohl vergeblich warten werden. Offenbar ist der Bedarf einer Gesellschaft an Waren und Dienstleistungen nicht beliebig steigerbar. Außerdem haben die politischen Entscheidungen der letzten Jahrzehnte, wie an anderer Stelle dargelegt, zu einer starken finanziellen Belastung und zu einem Entzug von Kaufkraft ausgerechnet bei den finanzschwächeren Gesellschaftsschichten bis weit in den Mittelstand hinein geführt. Gerade diese Schichten sind es jedoch, die noch am ehesten Bedarf an weiteren materiellen Gütern hätten.

Die Alternative: Umverteilung von Arbeit und Arbeitszeitverkürzung

Aus der Tatsache, dass Rationalisierung und Automatisierung bei stagnierendem gesellschaftlichem Güterbedarf und gleich bleibender Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu einer stetigen Erhöhung der Zahl der Arbeitslosen führen, lässt sich freilich noch ein anderes Gegenrezept ableiten: Nicht nur Wirtschaftswachstum, sondern auch eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeit könnte die Zahl der Arbeitslosen verringern. Eine solche Umverteilung könnte durch mehr Teilzeitarbeit, aber auch durch eine Verringerung der Wochen- oder Lebensarbeitszeit erreicht werden. Angesichts der weltweiten Konkurrenz wäre ein finanzieller Ausgleich bei einer Kürzung der Wochen- oder Lebensarbeitszeit allerdings nur bei florierenden Unternehmen möglich. Falls durch die Arbeitszeitverkürzungen Schwierigkeiten bei der Besetzung anspruchsvoller Arbeitsplätze auftreten sollten, wären diese durch entsprechende Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen zu beheben: An Arbeitslosen – auch an arbeitslosen Akademikern – herrscht schließlich kein Mangel.

Derzeit geschieht freilich das genaue Gegenteil von Arbeitszeitverkürzung und Qualifizierung: Die Unternehmen nutzen die Angst der Beschäftigten vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, um die Arbeit zu verdichten und unbezahlte Mehrarbeit zu erpressen; die Politiker verlängern die Lebensarbeitszeit und sowohl Unternehmen als auch Politiker versuchen nicht etwa, arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen für anspruchsvolle, nach gegenwärtigem Wissensstand zukunftssichere Jobs zu qualifizieren, sondern zwingen vielmehr selbst gut qualifizierte Arbeitslose, zwecks Senkung der Kosten für Arbeitslosengeld und Sozialhilfe jeden noch so miesen und schlecht bezahlten Job anzunehmen. So werden Menschen gedemütigt, die Massenarbeitslosigkeit zementiert und menschliche Ressourcen vergeudet.

Wirtschaftswachstum und nachhaltiges Wirtschaften

Gegen ein ungebremstes Wirtschaftswachstum zumindest in der bisherigen Form spricht auch ein ethisches Argument: Unser Wirtschaftssystem beruht bislang wesentlich auf der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der Erde (Wasser, Boden, Erdöl, Erdgas, Kohle, sonstige Bodenschätze wie Metalle, Phosphate etc.) sowie auf der Zerstörung der natürlichen Lebensräume und damit der Lebensgrundlagen künftiger Generationen. Es setzt kaum auf erneuerbare Energien und Energiesparen sowie auf Ressourcenschonung und Rohstoffrückgewinnung.

Für ein umweltschonendes und zukunftssicheres, nachhaltiges Wirtschaften wäre es dagegen nötig, die gegenwärtige Rohstoff- und Energieverschwendung zu beenden und nicht erneuerbare Energieträger wie Kohle, Erdöl und Erdgas sowie nicht erneuerbare Rohstoffe so zu verteuern, dass sich ein sparsamer Umgang mit ihnen, die Umstellung auf erneuerbare Energien und ein möglichst vollständiges Recycling nicht erneuerbarer Rohstoffe lohnen. Die technischen Möglichkeiten dazu sind weitgehend vorhanden.

Allein der politische Wille fehlt, weil der Umstellungsprozess natürlich eine – zumindest vorübergehende – Reduzierung des privaten Konsums zur Folge hätte: Das Geld, das für den forcierten Umbau einer Wegwerf- und Verschwendungswirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft nötig wäre, stünde für den privaten Konsum nicht mehr zur Verfügung. Viele Politiker sind aber nicht willens oder nicht in der Lage, langfristig vorzusorgen und notwendige Veränderungen zu kommunizieren und durchzusetzen. Derzeit wird z. B. der Ölpreis von den Regierungen wichtiger Förderländer auf Druck der westlichen Staaten künstlich niedrig gehalten. Im Gegenzug gewähren die USA dem saudischen Königshaus und weiteren diktatorischen Regimen politische und militärische Unterstützung.

Darüber hinaus müssten die Auflagen zum Umweltschutz und die Kontrolle dieser Auflagen drastisch verschärft werden: Es ist nun einmal für ein Unternehmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht billiger, ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Gesundheit der Mitarbeiter bzw. der Bevölkerung insgesamt zu produzieren. Wenn man ein solches Verhalten im eigenen Interesse und im Interesse künftiger Generationen ändern möchte, bleibt nichts anderes übrig, als entsprechenden juristischen und polizeilichen Zwang auszuüben, und zwar möglichst auf der Basis internationaler Abkommen, notfalls aber auch im nationalen Alleingang. Auf die gesellschaftliche Verantwortung von Managern und Unternehmern zu hoffen, dürfte jedenfalls vergeblich sein, denn schon die Konkurrenzsituation zwingt die Unternehmen dazu, möglichst kostengünstig – und somit rücksichtslos – zu produzieren, wenn der Staat und die Konsumenten es ihnen gestatten.1 In der Regel weiß der Konsument aber gar nicht, unter welchen Bedingungen die Waren produziert wurden und die Verkäufer(innen) arbeiten und kann die Hersteller und Händler schon deshalb nicht durch sein Kaufverhalten kontrollieren.

Fazit

Es mag kein Recht auf Faulheit geben, wenn damit gemeint ist, dass von jedem Menschen erwartet werden darf, nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten zum Gemeinwohl beizutragen. Das betrifft dann aber nicht nur arbeitsfähige Arbeitslose, sondern jedes arbeitsfähige und/oder kapitalkräftige Mitglied der Gesellschaft, insbesondere auch Politiker, Manager und Unternehmer. Es ist zynisch und asozial, wenn die Besserverdienenden bzw. Reichen den Geringverdienern, Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern ständig neue Einkommenskürzungen zumuten, aber selbst immer mehr kassieren, egal ob ihr eigener Besitz nun – das ist die Regel – im Wesentlichen ererbt oder – das ist die Ausnahme – Resultat einer Unternehmensgründung und des anschließenden erfolgreichen Agierens am Markt ist. Denn selbst im letztgenannten Falle verdanken die Unternehmensgründer den weitaus größten Teil ihres Vermögens anderen Menschen, nicht eigener Leistung. Ethisch akzeptabel ist das Einbehalten des Mehrwertes durch den Unternehmer deshalb wohl überhaupt nur dann, wenn der Gewinn wieder weitestgehend in das Unternehmen investiert wird, um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten bzw. zu steigern.

Zudem dürfen die Bürger eines demokratischen und sozialen Staates erwarten, dass die von ihnen gewählten Politiker alles dafür tun, dass ein arbeitsfähiger Bürger nicht nur irgendeinen Job bekommt, sondern einen von ihm als sinnvoll empfundenen, angemessen entlohnten Job, der seinem Potenzial und seinen Interessen möglichst weitgehend entspricht, und dass ihm von Kindheit an entsprechende Qualifizierungsmöglichkeiten geboten werden. Die Qualifizierung der Bürger ist im Übrigen nicht nur ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, sondern auch ein Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie, denn (aus)bildungs-, arbeits- und besitzlosen, permanent gedemütigten Menschen lassen sich die Vorzüge eines freiheitlichen Rechtsstaates nur schwer vermitteln. Auch ist es schwierig, Menschen für Demokratie zu begeistern, wenn sie den Eindruck haben, dass den Parteien weniger das Wohl der Gesamtbevölkerung als vielmehr vor allem das Wohl der Kapitalbesitzer am Herzen liegt.

Auf jeden Fall gibt es ein Recht auf Faulheit in jenem Sinne, dass es berechtigt ist, nach Wegen zu suchen, aufgezwungene, gesundheitsschädliche, unnötige oder sinnlose Arbeit zu vermeiden. Denn Arbeit ist kein Wert an sich und Rationalisierung und Automatisierung sollten nicht nur dazu dienen, den Unternehmensgewinn zu steigern, sondern dazu, physisch oder psychisch belastende Arbeiten zu reduzieren. Es gibt viele Möglichkeiten, seine Zeit angenehmer und sinnvoller zu verbringen als mit Arbeit, sei es mit sozialen Kontakten, sei es mit Hobbys, sei es mit persönlicher Weiterbildung oder mit gesellschaftlichem Engagement. Auch Faulenzen muss erlaubt sein. Da Faulenzen auf Dauer langweilig ist und die meisten Menschen Abwechslung lieben und Anerkennung suchen, ist die Gefahr des Dauerfaulenzens wahrscheinlich sowieso eher gering. Deshalb wäre es angebracht, statt des Hohen Liedes der Arbeit öfter einmal ein Loblied auf die Faulheit anzustimmen.

1 Ein Beispiel dafür, wie Unternehmer allenfalls das gesetzlich als Minimum Vorgeschriebene, aber nicht das aktuell umwelttechnisch Machbare zum Schutz von Gesundheit und Leben ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu tun bereit sind, bietet das Projekt des Baus eines Heizkraftwerkes bzw. einer Müllverbrennungsanlage in Paderborn-Mönkeloh (MVA). Die Aussagen der damaligen Paderborner Bundestagsabgeordneten Ute Berg und die Aussagen des damaligen Paderborner Bundestagsabgeordneten Gerhard Wächter auf Anfragen zu eventuellen Gesetzesänderungen hin dokumentieren zugleich, wie relativ machtlos die/der einzelne Abgeordnete in solchen Fällen selbst dann ist, wenn sie/er der Regierungskoalition angehört.
Die Bezirksregierung Detmold teilte der Stadt Paderborn am 9.11.2008 mit, dass die MVA aus ihrer Sicht genehmigungsfähig sei. Einziges Hindernis: die bauplantechnischen Voraussetzungen. Eine Begründung für die Entscheidung bzw. eine Stellungnahme zu den beim Erörterungstermin vorgebrachten Einwänden gab die Bezirksregierung nicht. Bereits am 9.10.2008 hatte die Bezirksregierung der KMG Kraftwerksgesellschaft Mönkeloh GmbH & Co. KG mitgeteilt, dass eine Erteilung der ersten Teilgenehmigung nur durch die am 18.8.2008 vom Rat der Stadt Paderborn beschlossene Veränderungssperre für den Bebauungsplan an der Halberstädter Straße blockiert sei.
Das Verhalten der Bezirksregierung nährte bei vielen Bürgern den Verdacht, dass das ganze Genehmigungsverfahren eine einzige Farce war und die von Marianne Thomann-Stahl als Regierungspräsidentin geführte Bezirksregierung – und wohl auch die Landesregierung NRW als Vorgesetzte der Bezirksregierung – von Anfang an vorhatten, die Anlage trotz aller Einwände zu genehmigen.
Am 21.05.2010 schließlich schlossen die Stadt Paderborn und die Kraftwerksgesellschaft Mönkeloh GmbH & Co. KG (Entsorgungsfirma Stratmann) einen Vertrag, in dem das Unternehmen sich verpflichtete, weder in Paderborn selbst noch im Kreisgebiet eine Müllverbrennungsanlage zu bauen – gegen Zahlung von 3,18 Millionen Euro durch die Stadt Paderborn als "Entschädigung für den bisherigen Planungsaufwand".
Es bleibt das grundsätzliche Problem, dass viele Politiker – und auch viele Bürger, sofern sie die Folgen nicht unmittelbar selbst zu spüren bekommen – den Umwelt- und Gesundheitsschutz nach wie vor relativ gering achten und bereit sind, Anlagen zuzulassen, die umwelt- und gesundheitsschädlicher sind, als sie nach dem aktuellen Stand der Technik sein müssten.
 

Entstehungsjahr: 2007