Brief an Frau Berg vom 21.02.2007:
Heizkraftwerk /
Müllverbrennungsanlage Paderborn-Mönkeloh
Gesetzgebungsbedarf
Sehr geehrte Frau Berg,
als Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Paderborn, als
ordentliches Mitglied im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und
Technologie und als stellvertretende Vorsitzende der
gleichnamigen Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion werden
Sie über die Pläne zum Bau einer von den Antragstellern als
Heizkraftwerk deklarierten, nicht dem heutigen Stand der
Umwelttechnik entsprechenden, für die Entsorgung des regionalen
Haus- und Industriemülls nicht benötigten Müllverbrennungsanlage
in Paderborn-Mönkeloh bereits im Detail informiert sein. Sie
werden auch wissen, dass dort sehr schadstoffhaltiger Müll aus
ganz Deutschland, eventuell sogar aus ganz Europa oder der
ganzen Welt verbrannt werden soll.
Allem Anschein nach sind nahezu alle Paderborner gegen dieses
Vorhaben, weil die Anlage unnötigerweise ihre Gesundheit und ihr
Leben gefährden würde. Auch die Paderborner SPD und Sie selbst
haben sich mehrfach gegen den Bau der Anlage ausgesprochen.
Allerdings kann es durchaus sein, dass die Anlage trotz aller
Proteste und Einwendungen genehmigt und gebaut wird, sofern
nämlich die derzeit zulässigen, gesetzlich festgelegten
Emissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Nur der
Gesetzgeber könnte dann noch helfen, indem er z. B. die
Grenzwerte ändert. Sinnvoller wäre es meines Erachtens freilich,
wenn der Gesetzgeber nicht die Grenzwerte dem Stand der Technik
anpassen würde, sondern generell die Verwendung der jeweils
besten, die Umwelt- und Gesundheitsschäden möglichst
minimierenden Umwelttechnik für neue und (nach einer
angemessenen Übergangsfrist) auch für alte Anlagen vorschreiben
würde. Zudem sollte er meines Erachtens festlegen, dass Müll
erzeugernah entsorgt werden muss und schon gar nicht
zusätzlicher Müll aus dem Ausland nach Deutschland gebracht
werden darf.
Werden Sie sich diesbezüglich engagieren?
Mit freundlichen Grüßen
Ulrich Willmes
Antwort von Frau Berg vom 27.02.2007:
Sehr geehrter Herr Willmes,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 21. Februar, in dem Sie auf
den Gesetzgebungsbedarf bei der Genehmigung von
Müllverbrennungsanlagen hinweisen und mich dabei um
Unterstützung bitten. Vorweg möchte ich dazu bemerken, dass sich
die SPD im Kreis Paderborn, deren Vorsitzende ich bin, als erste
Partei eindeutig gegen das geplante Heizkraftwerk ausgesprochen
hat.
Die von Ihnen angesprochene gesetzliche Grundlage für die
Genehmigung von MVA, die 17. BImSchV, wurde in der letzten
Legislaturperiode überarbeitet und trat am 20. August 2003 in
Kraft. Anlass war eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des europäischen Rates. Diese Abfallverbrennungsrichtlinie
der Europäischen Union hatte sich an den damaligen deutschen
Standards orientiert, die bereits vor der Novellierung der 17.
BImSchV sehr viel höhere Anforderungen an den Stand der Technik
bei der Abfallverbrennung gestellt hatten, als das in anderen
europäischen Ländern der Fall war. Die rot-grüne Bundesregierung
ging aber damals über die Anforderungen dieser EU-Richtlinie
hinaus und setzte schärfere Grenzwerte als von der EU gefordert
durch.
Die Festlegung dieser höheren Grenzwerte war jedoch auf den
entschiedenen Widerstand der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion
gestoßen. Unter Hinweis darauf, dass „die vorliegende Novelle
Wettbewerbsnachteile für die deutschen Unternehmen mit sich
bringe“, lehnten Union und FDP die 17. BImSchV und die darin
vorgesehenen verschärften Grenzwerte ab.
Auf meine Nachfrage hin haben mir Umweltpolitiker/innen meiner
Fraktion und im Bundesumweltministerium ganz eindeutig erklärt,
dass die Absicht, auf Bundesebene die Grenzwerte für
Müllverbrennungsanlagen und Heizkraftwerke zu verschärfen, in
der großen Koalition definitiv nicht zu realisieren sei. Die
Einstellung auf Seiten der CDU/CSU-Fraktion hätte sich seit 2003
nicht verändert. Ich erspare mir daher auch eine weitere
Bewertung der Aufforderung der Paderborner CDU-Stadtratsfraktion
an die Unions-Fraktion im Deutschen Bundestag, die Grenzwerte
den heutigen technischen Möglichkeiten anzupassen.
Obwohl aller Erfahrung nach mit der Union auf diesem Gebiet
keine Fortschritte erzielt werden können, habe ich mich dennoch
mit dem Fall Mönkeloh bereits an Umweltminister Gabriel gewandt
und die führenden Umweltpolitiker meiner Fraktion gebeten, die
Möglichkeit einer Verschärfung der geltenden Grenzwerte in der
17. BImSchV zu prüfen.
Ungeachtet meiner Bemühungen auf Bundesebene sollten wir uns
aber darüber im Klaren sein, dass die Entscheidung darüber, ob –
bzw. unter welchen Bedingungen – das Heizkraftwerk in Mönkeloh
seinen Betrieb aufnehmen wird, auf lokaler und regionaler Ebene
gefällt wird. Entscheidend wird also das Verhalten der
Bezirksregierung Detmold unter der Leitung der
Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl (FDP) sein, die das
Heizkraftwerk genehmigen muss. Aber auch die Stadt Paderborn ist
gefordert. Es ist in diesen Tagen genau zu prüfen, welche
Handlungsspielräume Bezirksregierung und Stadt im Interesse der
betroffenen Bürgerinnen und Bürger nutzen werden.
Zudem ist zu bedenken, dass die freiwillige Einhaltung
niedrigerer Emissionswerte durch aufwändigere Filteranlagen in
anderen Heizkraftanlagen oder MVA vor allem auf den öffentlichen
Protest vor Ort zurückgeht. Meines Erachtens haben daher auch
die bisherigen Proteste in Paderborn gegen die Anlage in
Mönkeloh bereits Positives bewirkt. Der öffentliche Druck in
Paderborn hat alle politisch und gesellschaftlich relevanten
Kräfte dazu bewogen, gegen das Heizkraftwerk – zumindest in der
jetzigen Form – Stellung zu beziehen.
Ich schließe mich aber den Ausführungen meines Kollegen Franjo
Henze von der SPD-Stadtratsfraktion ausdrücklich an, der sich
bei der Sitzung des Rates in Paderborn am 14. Februar dezidiert
gegen eine – wie auch immer geartete – Anlage in Mönkeloh
ausgesprochen hat, da sie aus Paderborner Sicht nicht
erforderlich ist und den „Mülltourismus“ in unserer Region
verstärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Ute Berg