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Wann ist das Leben lebenswert?
Mit einer
Patientenverfügung weist der Patient im Falle seiner
Einwilligungsunfähigkeit den Arzt und das Pflegepersonal an, bestimmte medizinische
oder pflegerische Maßnahmen nach seinen persönlichen Vorstellungen vorzunehmen
oder zu unterlassen. Die Patientenverfügung bindet auch den
Bevollmächtigten. Allenfalls dann, wenn die Patientenverfügung
einen Sachverhalt nicht eindeutig regelt, hat der
Bevollmächtigte einen Ermessensspielraum.
Eine Patientenverfügung sollte
schriftlich verfasst und handschriftlich unterschrieben sein.
Sie kann von einer weiteren Person oder von mehreren weiteren Personen bezeugt oder
notariell beurkundet werden. Im Internet gibt es zahlreiche
Vorlagen für eine Patientenverfügung, z. B. vom
Bundesjustizministerium, von kirchlichen Einrichtungen und Verbänden
oder von der auf Medizinrecht spezialisierten
Rechtsanwaltssozietät Putz & Steldinger. Eine
medizinische Beratung ist dennoch sinnvoll. In der folgenden
Patientenverfügung werden Maßnahmen abgelehnt, die das Leiden
und Sterben verlängern.
Nicht schaden kann es, in der Patientenverfügung auch Hinweise
zum persönlichen Lebensstil (Tagesablauf, Essenszeiten,
Gewohnheiten, Inhalt der Mahlzeiten, bevorzugte und verabscheute
Gerichte, Musikgeschmack, Schlafgewohnheiten, Interessengebiete,
Aversionen etc.) zu geben, damit das Pflegepersonal z. B. bei
fortgeschrittener Demenz die individuellen Gewohnheiten,
Vorlieben und Abneigungen nach Möglichkeit dennoch
berücksichtigen kann. Ob es das dann auch tatsächlich tut, hängt
freilich sehr vom Engagement und der Kompetenz der jeweiligen
Heimleitung ab – nicht zwangsläufig von der Höhe der
Pflegekosten. In einem durchschnittlichen Alten- und Pflegeheim, in dem bestenfalls
eine Satt-und-sauber-Pflege Standard ist, wird das
Pflegepersonal kaum auf die individuellen Wünsche und
Bedürfnisse der Pflegebedürftigen eingehen.1 In der
hier wiedergegebenen Patientenverfügung sind allerdings keine
solchen Hinweise enthalten.
Patientenverfügung
Ich, [Vorname
Nachname], geboren am [Geburtstag] in [Geburtsort], wohnhaft in
[Postleitzahl Ort, Straße Hausnummer], treffe für den Fall, dass
ich meinen Willen nicht mehr bilden oder nicht mehr verständlich
äußern kann, auch nicht durch Zeichen wie z. B. Kopfnicken und
Kopfschütteln, folgende Verfügungen: Ich verfüge gegenüber
meinen Ärzten, dem Alten- oder Pflegeheim, in dem ich im
entscheidenden Zeitpunkt gegebenenfalls wohne, sowie gegenüber
jedem, der sonst Entscheidungen über meine Person zu treffen
hat, Folgendes:
Ich wünsche eine menschenwürdige letzte Lebensphase und ein
menschenwürdiges Sterben und bitte Ärzte und Pflegepersonal, mir
dabei beizustehen. Ich möchte nicht möglichst lange leben,
sondern ich möchte möglichst lange frei von großen Schmerzen und in geistiger
Klarheit leben.
Für den Fall, dass bei mir eine schwere, irreversible Schädigung
lebenswichtiger Organe, insbesondere des Gehirns, eintritt, die
mir nach übereinstimmender Überzeugung der behandelnden Ärzte
ein Leben bei Bewusstsein unmöglich machen wird, z. B. ein
apallisches Syndrom oder Wachkoma, wünsche ich
keine weiteren intensiv-medizinischen Maßnahmen, die mein Leben
verlängern. Dies schließt ausdrücklich den Verzicht auf
künstliche Beatmung, künstliche Ernährung sowie die Gabe
lebenserhaltender Medikamente ein. Ein solcher Zustand, der eine
Heilung oder zumindest so deutliche Verbesserung meines
Zustandes, dass ich wieder bei klarem Bewusstsein sein und mich
– und sei es durch Zeichen – verständlich machen kann,
ausschließt, ist anzunehmen, wenn zwei Fachärzte unabhängig
voneinander zu diesem Urteil gelangen und keine abweichende
ärztliche Prognose vorliegt.
Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand, der nicht während einer
Operation eintritt, bei dem also keine sofortige ärztliche Hilfe
gegeben ist, wünsche ich keine Maßnahmen zur
Wiederbelebung.
Eine künstliche Beatmung darf nur vorübergehend vorgenommen
werden und nur dann, wenn eine realistische Aussicht auf
Wiedererlangung von Bewusstsein und Lebensqualität besteht und
insbesondere keine bleibenden Gehirnschädigungen zu erwarten
sind.
Eine künstliche Ernährung durch Magensonde oder Infusion etc. darf nur
vorübergehend als medizinische Notfallmaßnahme und nur im
Krankenhaus, nicht im Alten- oder Pflegeheim vorgenommen werden.
Sie darf nicht als bloße Maßnahme zur
Pflegeerleichterung vorgenommen werden. Eine künstliche
Ernährung darf ebenfalls dann nicht vorgenommen werden, wenn – z. B.
wegen fortgeschrittener und irreversibler Demenz oder im
Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit – die Motivation
zur Nahrungsaufnahme dauerhaft vermindert bzw. gar nicht mehr
vorhanden ist.
Für den Fall, dass ich eine schwere Krankheit bekomme, die nach
ärztlichem Ermessen unabwendbar zum Tode führen wird, lehne ich
jede belastende Behandlung / Weiterbehandlung der Grundkrankheit
und eventueller weiterer Krankheiten ab und wünsche eine
fachgerechte Palliativpflege. Ich verlange, mir Medikamente zu
verabreichen, die mich möglichst vollständig von Schmerzen und
sonstigen Leidensfaktoren (Atemnot, Angstzustände, Durst- und
Hungergefühl, Übelkeit, Erbrechen etc.) befreien, auch wenn
dadurch mein Tod voraussichtlich früher eintreten wird. Einer
indirekten Sterbehilfe durch terminale Sedierung bei großen
Schmerzen, drohenden Erstickungszuständen oder sonstigen
quälenden Empfindungen stimme ich ausdrücklich zu.
Für den Fall, dass ich wegen fortgeschrittener und irreversibler
Demenz pflegebedürftig werde und dann an einer unbehandelt zum
Tode führenden Krankheit wie Lungenentzündung, Sepsis o. a.
erkranke, verfüge ich, dass zwar die Schmerzen und sonstige
Leidensfaktoren bekämpft werden sollen, nicht aber die Krankheit
an sich.
Ich gebe diese Erklärung nach sorgfältiger Überlegung und in
voller Verantwortung für mich selbst ab. Für den Fall, dass ich
aufgrund von Bewusstlosigkeit oder anderen körperlichen
Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage sein werde, über meine
persönlichen Belange zu entscheiden, soll diese Erklärung als
Beurkundung meines ausdrücklichen Willens gelten.
Diese Verfügung bitte ich meinen behandelnden Ärzten zugänglich
zu machen. Zu Maßnahmen, die dieser Verfügung widersprechen,
verweigere ich ausdrücklich die Zustimmung.
Folgende Person hat von mir eine gesonderte Vorsorgevollmacht
erhalten, die auch die Umsetzung dieser Patientenverfügung
umfasst:
[Vorname Nachname, Postleitzahl Ort, Straße Hausnummer,
Telefonnummer mit Vorwahl]
Diese Erklärung wurde von mir unterschrieben. Eine Person meines
Vertrauens bezeugt durch ihre Unterschrift meine
Willenserklärung.
Ort, Datum, Unterschrift der/des Erklärenden
Ich, [Vorname Nachname], geb. am [Geburtstag] in [Geburtsort],
wohnhaft in [Postleitzahl Ort], [Straße Hausnummer],
bestätige, dass [Anrede Vorname Nachname] die Patientenverfügung im
Vollbesitz ihrer/seiner geistigen Kräfte unterschrieben hat.
Ort, Datum, Unterschrift der Zeugin / des Zeugen
1 Vgl. Sie zu den
Pflegezuständen in Deutschland z. B. "Soziale Menschenrechte älterer Personen in Pflege" des
Deutschen Institutes für Menschenrechte, Berlin 2006, ferner "Abgezockt und totgepflegt. Alltag in deutschen
Pflegeheimen" von Markus Breitscheidel, Berlin 2005,
außerdem
"Keiner stirbt für sich allein. Sterbehilfe, Pflegenotstand und
das Recht auf Selbstbestimmung" von Oliver Tolmein, München
2006, und "Satt und sauber? Eine Altenpflegerin kämpft gegen den
Pflegenotstand" von Brigitte Heinisch, Reinbek 2008.
Entstehungsjahr: 2010
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