Vorschläge für ein besseres Steuersystem

 

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Steuern dienen in erster Linie zur Finanzierung der Staatsausgaben. Einige Steuern sollen darüber hinaus zugleich dem Anwachsen von Vermögensunterschieden entgegenwirken (z. B. Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer) oder Verhalten beeinflussen (z. B. Steuern auf alkoholische Getränke, Tabaksteuer, Mineralölsteuer, Stromsteuer).

Das Steuersystem sollte gerecht sein, womit in der Regel gemeint ist, dass Personen mit höherem Einkommen auch höhere Steuern zahlen sollen, und zwar nicht nur absolut, sondern auch prozentual. Eine Flat Tax wird von einer großen Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht abgelehnt. Schon die Begrenzung des Spitzensteuersatzes auf weniger als 50 Prozent selbst bei Einkommensmultimillionären und Milliardären kann man als problematisch ansehen. Das tatsächliche soziokulturelle Existenzminimum sollte dagegen steuerfrei sein. Außerdem sollte das Steuersystem einfach und transparent und weitestgehend frei von Ausnahmen und Abschreibungsmöglichkeiten sein, um unnötige Erhebungskosten zu vermeiden und Personen und Unternehmen, die sich Steuerberater oder ganze Rechtsabteilungen leisten und Steuersparmodelle wahrnehmen können, gegenüber weniger finanzkräftigen Steuerzahlern nicht zu bevorzugen.

Diese Ausführungen können natürlich nur Anregungen geben, denn schließlich bin ich weder Jurist noch Steuerexperte. Die (verfassungs)gerichtsfeste und schlupflochsichere Ausformulierung von ebenso praktikablen wie gerechten Steuergesetzen bleibt Aufgabe des Gesetzgebers.

Personensteuern

Um der Transparenz und Gerechtigkeit willen sollte meines Erachtens bei den direkten Personensteuern zwischen einer Steuer auf selbst oder überwiegend selbst erarbeitetes Einkommen (z. B. Lohn oder Einkommen von Selbständigen ohne Mitarbeiter oder mit nur wenigen Mitarbeitern) und auf nicht selbst erarbeitetes Einkommen (z. B. Zinsen, Dividenden, Mieteinnahmen, Pachteinnahmen, Veräußerungsgewinne, Schenkungen, Erbschaften, Unternehmergewinne im Sinne von Gewinnen eines Unternehmers, die nicht von ihm selbst, sondern von abhängig Beschäftigten erarbeitet wurden, und abzüglich eventueller Reinvestitionen) unterschieden werden. Nicht selbst erarbeitetes Einkommen müsste meines Erachtens um der Leistungsgerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs willen deutlich höher besteuert werden als selbst erarbeitetes Einkommen.

Eine niedrigere Besteuerung von Kapitaleinkommen als von Erwerbseinkommen oder eine Flat Tax von 25 Prozent bei der Besteuerung nicht selbst erarbeiteten Einkommens verletzen das Rechtsempfinden einer großen Mehrheit der Bevölkerung, vertiefen die sowieso schon beträchtliche finanzielle und mentale Kluft zwischen jenen Menschen, die von ihrer Arbeit leben müssen, und jenen, die von den Erträgen ihres Vermögens leben können, und verringern das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit der Gesetze. Warum z. B. soll die Vermögens- und Einkommensmilliardärin Susanne Klatten auf ihre Dividenden und Veräußerungsgewinne nur 25 Prozent Steuern zahlen, während viele Menschen, die gezwungen sind zu arbeiten, einen höheren persönlichen Steuersatz haben? Falls der Grund für die niedrige Besteuerung die Hoffnung ist, dass Frau Klatten und andere Vermögende ihr Vermögen dann nicht ins Ausland verschieben, sollten Wege gesucht und gefunden werden, das zu verhindern, aber es sollte nicht Unrecht zum Gesetz erklärt werden.

Damit Unternehmer und reiche Privatiers sich nicht durch einen Umzug z. B. in Nachbarstaaten vor der Steuer drücken können, plädiere ich für eine Regelung, nach der zumindest bei nicht selbst erarbeitetem Einkommen im Konfliktfall jenem Land, in dem das Einkommen tatsächlich und überwiegend erarbeitet wurde, und nicht jenem Land, in dem der Empfänger des Einkommens seinen Hauptwohnsitz hat oder die Unternehmensleitung residiert, die entsprechende Steuer zusteht.

Im Einzelfall kann es bei der Abgrenzung von selbst erarbeitetem und nicht selbst erarbeitetem Einkommen zu Definitionsproblemen kommen: Ist z. B. ein Managergehalt ein selbst erarbeitetes oder ein überwiegend von den Mitarbeitern erarbeitetes Einkommen? Der Einfachheit halber schlage ich deshalb vor, jedes Einkommen, welches das Gehalt einer Ministerin / eines Ministers übersteigt, als nicht selbst erarbeitet zu werten.

Die Erhebung der Steuer auf nicht selbst erarbeitetes Einkommen könnte in allen Fällen, in denen Geldinstitute beteiligt sind, also fast immer, derart erfolgen, dass zunächst der Steuerhöchstsatz angenommen und der entsprechende Betrag vom Geldinstitut einbehalten und an den Staat abgeführt wird. Bei Miet- und Pachteinnahmen und Unternehmergewinnen wäre eine solche automatische Einbehaltung zwar schwieriger zu realisieren als bei Zinsen und Dividenden, aber wahrscheinlich dennoch machbar. Ausnahmen bei Gefährdung der Liquidität eines Unternehmens müssten möglich sein. Über die Einkommensteuererklärung könnten die Bezieher von Kapitaleinkommen sich den eventuell zuviel gezahlten Betrag dann im nächsten Jahr zurückholen. Auf diese Weise ließe sich das Verschweigen von – inländischem – Kapitaleinkommen weitgehend verhindern.

Die Steuer auf selbst erarbeitetes Einkommen und jene auf nicht selbst erarbeitetes Einkommen dürften natürlich nicht völlig unabhängig voneinander erhoben werden: Wer z. B. auf sein selbst erarbeitetes Einkommen – noch ohne Berücksichtigung des nicht selbst erarbeiteten Einkommens bei der Berechnung des Steuersatzes –  35 % Steuern zahlen muss, darf nicht beim nicht selbst erarbeiteten Einkommen einen niedrigeren Steuersatz gewährt bekommen, auch wenn das nicht selbst erarbeitete Einkommen gering sein sollte. Vielmehr müssten zunächst das selbst erarbeitete und das nicht selbst erarbeitete Einkommen zusammengerechnet und daraus ein vorläufiger Steuerbetrag nach dem Tarif für selbst erarbeitetes Einkommen berechnet werden. In einem weiteren Schritt müsste das nicht selbst erarbeitete Einkommen dann noch einmal gesondert nach einem progressiven Tarif besteuert werden, dessen Ausgestaltung die Höhe des bereits berechneten vorläufigen Steuerbetrages berücksichtigen könnte. Beide Steuerbeträge zusammen ergäben dann die Gesamtsteuer.

Der Steuertarif müsste regelmäßig der Inflation angepasst werden, um versteckte Steuererhöhungen zu vermeiden. Wenn der Steuertarif nämlich nicht kontinuierlich angepasst wird, führt selbst eine Einkommenssteigerung, die lediglich die Inflation ausgleicht, aufgrund des progressiv verlaufenden Steuertarifs zu einem höheren Steuersatz und damit zu einer größeren Steuerbelastung, obwohl das Nettorealeinkommen unverändert bleibt.

Bei der Berechnung der Einkommensteuer auf Erwerbsarbeit könnte man manche Minderungsmöglichkeiten streichen: Warum z. B. soll die Fahrt zum und vom Arbeitsplatz steuerlich absetzbar sein, also derjenige, der sein Häuschen großzügig und günstig weit weg auf dem Lande gebaut hat, anstatt arbeitsplatznah, aber beengter und teurer in der Stadt zur Miete zu wohnen, dafür belohnt werden? Warum z. B. soll Berufskleidung teilweise vom Staat und damit von der Allgemeinheit und nicht vom Arbeitgeber finanziert werden?

Erbschaft- und Schenkungsteuer

Insbesondere bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wären meines Erachtens eine deutliche Anhebung, eine progressive Steigerung und die Streichung aller Freibeträge gerechtfertigt. Warum soll jemand, der ohne jede eigene Leistung und ohne jedes eigene Risiko zu Besitz gelangt, von dem geschenkten / geerbten Vermögen nicht der Allgemeinheit und damit indirekt u. a. jenen Menschen, die nicht das Glück hatten, vermögende Erblasser zu haben, ein Gutteil abgeben? Wenn andere Länder keine oder nur eine sehr niedrige Erbschaftsteuer erheben, um z. B. Unternehmer oder reiche Privatiers aus dem Ausland anzulocken, spricht das nicht gegen die Berechtigung der Erbschaftsteuer, sondern für die Notwendigkeit europa- bzw. möglichst weltweiter gerechter Regelungen. Dass europäische Staaten anderen europäischen Staaten reiche Steuerzahler – z. B. durch Verzicht auf Erbschaftsteuern und/oder Kapitalertragsteuern oder durch sehr niedrige entsprechende Steuersätze –  abspenstig machen und dabei weder politische noch wirtschaftliche Konsequenzen befürchten müssen, ist meines Erachtens nicht auf Dauer hinnehmbar. Der politische und wirtschaftliche Druck auf derart egoistisch agierende Steueroasen müsste deutlich erhöht werden.

Gegen Erbschaftsteuern werden – nicht zuletzt von potenziellen Erben und Erblassern – einige Standardeinwände vorgebracht, die hier kurz besprochen seien: Nicht stichhaltig ist das Argument, die Erbschaftsteuer werde auf bereits versteuertes Einkommen erhoben. Denn dass der Erblasser auf sein Einkommen eventuell bereits Steuern gezahlt hat, ist irrelevant: Der Erbe selbst hat eben noch keine Steuern für dieses sein zusätzliches Einkommen gezahlt. Außerdem ist die faktische Doppelbesteuerung von Einkommen sowieso eher die Regel als die Ausnahme (Mehrwertsteuer, Tabaksteuer, Alkoholsteuer etc.).

Nicht überzeugend ist auch das Argument, die Erbschaft sei quasi die Belohnung für die Zuwendung, die erwachsene Kinder ihren alten und kranken, eventuell pflegebedürftigen Eltern zuvor zuteil werden ließen. Denn weder können alle erwachsenen Kinder, die ihre Eltern im Alter pflegen, mit einer nennenswerten Erbschaft rechnen, noch pflegen alle Kinder, die mit einer nennenswerten Erbschaft rechnen können, ihre alten Eltern, noch ist eine Erbschaft überhaupt Lohn für geleistete Arbeit. Wenn es für die Pflege von Angehörigen Nachlässe bei der Erbschaftssteuer gibt, ist das unfair gegenüber allen jenen Angehörigen, die ihre mittellosen Verwandten aufopfernd pflegen, obwohl sie keine Erbschaft zu erwarten haben. Vielmehr sollte der Staat über die Pflegeversicherung pflegende Angehörige angemessen unterstützen. Eine Erbschaft dagegen ist ein posthumes Geschenk des Erblassers an den Erben und es gibt keinen vernünftigen Grund, ein solches Geschenk nicht zu versteuern, und zwar als nicht selbst erarbeitetes Einkommen.

Ebenfalls kein wirklich gutes Argument gegen Erbschaftsteuern ist schließlich jenes, Betriebserben müssten von Erbschaftsteuern befreit werden, damit die Betriebe und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Denn auch bei mittelständischen Betrieben ist es in den meisten Fällen möglich, den Betrieb in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, so dass die Erbschaftsteuer dem Staat in Form entsprechender Anteile gezahlt werden könnte. Auch sind die Erben eines Unternehmers nicht immer ebenfalls begnadete Unternehmer, weshalb ein Verkauf des Unternehmens oft die bessere Lösung ist.

Die Erbschaftsteuer und das gesamte Erbrecht ließen sich übrigens sehr vereinfachen, wenn man die Differenzierungen nach Verwandtschaftsgrad, die Pflichtteilregelungen etc. wegließe: Warum soll ein Erblasser nicht frei entscheiden dürfen, wem er sein Vermögen vermacht, und Pflichtteile berücksichtigen müssen? Warum sollen Ehepartner, Kinder etc. bei der Erbschaftsteuer besser gestellt sein als andere Personen, die dem Erblasser emotional eventuell sehr viel näher stehen? Warum soll eine Erbschaft an irgendwelche möglicherweise weit entfernte Verwandte gehen statt an die Staat, also die Gemeinschaft aller Bürger, wenn kein Testament vorliegt?

Grundsätzlich sollte meines Erachtens möglichst jeder erwachsene Mensch in der Lage sein oder befähigt werden, für sich selbst zu sorgen. Andernfalls entstehen Abhängigkeiten, die die Freiheit mindern. Ein erwachsener Mensch sollte also zur Existenzsicherung nicht auf Familienangehörige oder Erbschaften – und natürlich nach Möglichkeit auch nicht auf den Staat – angewiesen sein, aber andererseits auch nicht für Familienangehörige, für deren Existenz er nicht verantwortlich ist, finanziell sorgen müssen. Kinder sollten folglich nicht für ihre Eltern aufkommen müssen, wenn diese pflegebedürftig sind, noch Eltern für ihre Kinder, wenn diese erwachsen und arbeitslos sind. Es ist Aufgabe des Staates und nicht der Familie, in Notlagen finanziell einzuspringen, und u. a. dafür darf er Steuern erheben, auch und gerade Erbschaftsteuern, die meines Erachtens zu den gerechtesten Steuerarten überhaupt zählen.

Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer

Bei einer entsprechend hohen Besteuerung von Dividenden, nicht im Unternehmen verbleibenden Unternehmergewinnen, Veräußerungsgewinnen etc. könnte auf eine zusätzliche Besteuerung von Körperschaften verzichtet werden, sofern die nicht ausgeschütteten Gewinne wieder im Inland investiert werden. Ins Ausland transferierte Gewinne wären dagegen von der Körperschaft wie nicht selbst erarbeitetes Einkommen zu versteuern. Meines Erachtens ist eine solche Regelung ethisch statthaft, denn das ins Ausland transferierte Vermögen wird ebenso wie die im Inland ausgeschütteten Gewinne nicht mehr bzw. jedenfalls nicht unmittelbar und erkennbar für Investitionen in Deutschland genutzt – und allein die volkswirtschaftlich sinnvolle Reinvestition in Deutschland rechtfertigt meiner Meinung nach den Verzicht auf eine Besteuerung von in Deutschland erzielten Gewinnen durch den deutschen Staat.

Indirekte Steuern / Mehrwertsteuer

Indirekte Steuern, insbesondere die Mehrwertsteuer, machen einen Großteil des gesamten Steueraufkommens auf. Man wird auf sie nicht verzichten können, auch wenn sie die Einkommensschwächeren relativ stärker belasten als die Vielverdiener, die nicht gezwungen sind, den größten Teil ihres Einkommens oder sogar das ganze Einkommen sofort wieder für den täglichen Bedarf auszugeben. Immerhin ist bei den indirekten Steuern eine Differenzierung nach lebensnotwendigen Waren und nach Luxusgütern möglich und sollte auch konsequent durchgeführt werden.

Aufteilung der Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden

In Deutschland existiert ein komplizierter Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, den Ländern untereinander sowie den Kommunen und dem jeweiligen Land, der letztlich zum Ziel hat, innerhalb der Länder und zwischen den Ländern annähernd gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. In der Praxis profitieren vom Finanzausgleich allerdings nicht nur Länder mit schlechten Ausgangsbedingungen, sondern auch solche mit einer schlechten Wirtschafts- und Bildungspolitik.

Deshalb wäre es sinnvoll, zum einen die Kleinstaaten abzuschaffen – was allerdings nur diese selbst bzw. deren Bevölkerung beschließen könnten – und stattdessen einige wenige annähernd gleichgewichtige Länder zu schaffen, zum anderen den Kommunen und Ländern für jeden Einwohner einen bundesweit einheitlichen Betrag zur Verfügung zu stellen. Dieser Betrag ergäbe sich aus dem Gesamtbetrag der gemeinsamen Steuern abzüglich des prozentual festgelegten Anteiles des Bundes und eines ebenfalls prozentual festgelegten Anteiles für Notfälle, geteilt durch die Gesamtzahl der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland. In Notfällen wie z. B. bei Naturkatastrophen könnte das Kabinett dem betroffenen Land Sonderzuweisungen zubilligen. Außerdem muss den Ländern und Kommunen weiterhin erlaubt sein, zusätzlich eigene Steuern und Abgaben zu erheben.

Damit die Länder und Kommunen mit dem zugewiesenen Geld auch auskommen können, muss verhindert werden, dass ihnen immer neue kostenintensive Aufgaben ohne oder ohne ausreichenden finanziellen Ausgleich aufgebürdet werden. Bezüglich der Ansprüche des Bundes an die Länder besitzt der Bundesrat diese Veto- und Korrektivfunktion. Bezüglich der Ansprüche eines Landes / des Bundes an die Kommunen gibt es bislang kein entsprechendes Verfassungsorgan, das direkte oder indirekte finanzielle Zumutungen an die Kommunen blockieren oder einen angemessenen finanziellen Ausgleich erzwingen könnte. Wenn die kommunale Selbstverwaltung wirklich eine Selbstverwaltung sein soll und man nicht will, dass Bund und Land sie durch finanzielle Vorgaben faktisch beseitigen können, ist ein solches Verfassungsorgan auf Bundes- und Landesebene erforderlich.
 

Entstehungsjahr: 2007
 

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