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Ausgangslage
In Deutschland wird seit mehr als vier Jahrzehnten diskutiert,
wie mit "Gastarbeitern",
Flüchtlingen und
Asylbewerbern umzugehen ist, wie die Zahl der Flüchtlinge
und Asylbewerber am besten eingeschränkt werden kann, ohne die
entsprechenden Grundrechte gleich ganz abzuschaffen,
und wie auf den Widerstand in Teilen der Bevölkerung gegen den
weiteren Zuzug insbesondere von außereuropäischen Ausländern zu
reagieren ist.1
Um Geld zu sparen und um der Fremdenfurcht innerhalb von
Teilen der Bevölkerung Rechnung zu tragen, wurde 1993 das
Recht auf Asyl in Deutschland vor allem insofern stark
eingeschränkt, als Asylsuchende, die über Länder der
Europäischen Union nach Deutschland kommen, nun grundsätzlich
kein Recht auf Asyl in Deutschland mehr haben, sondern auf jenen
EU-Staat, den sie als ersten betreten haben, verwiesen werden.
Außerdem wurden – und werden – vom Gesetzgeber "sichere
Herkunftsstaaten" definiert, in denen es nach Einschätzung
des Gesetzgebers keine politische Verfolgung gibt. Für einen
Asylbewerber aus einem solchen Staat – z. B.
Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Serbien – ist es fast
unmöglich, Asyl zu erhalten, sofern er nicht offensichtliche
Folterspuren vorweisen kann. Dass aber z. B. Serbien nach wie
vor kein
Rechtsstaat und folglich kein "sicherer Herkunftsstaat" ist,
zeigen die Berichte der
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder
Human Rights Watch immer wieder sehr deutlich.
Nachdem die Zahl der Flüchtlinge/Asylanträge seit 1993
stark gesunken war, ist sie
in den letzten Jahren wieder beträchtlich gestiegen. 2015
wurde ein neuer Höchststand erreicht und viele Kommunen sind mit
der Unterbringung der Flüchtlinge inzwischen fast überfordert.
Es ist deshalb meines Erachtens nötig, neu darüber nachzudenken,
wie wir mit diesen Menschen umgehen wollen. Flüchtlinge monate-
oder sogar jahrelang in miserablen Massenunterkünften
unterzubringen, ihnen das Arbeiten
und damit das Geldverdienen zu verbieten oder zumindest sehr zu
erschweren, sie also dazu zu
verdammen, weitgehend untätig herumzulungern, und gleichzeitig
über die Kosten zu jammern, die sie verursachen, kann nicht der
Weisheit letzter Schluss sein. Und wenn dann nach Ausschöpfung
des Klageweges die Asylanträge endgültig als unbegründet abgelehnt werden
– wie es mehrheitlich der Fall ist – und auch eine
Duldung
irgendwann nicht mehr gerechtfertigt ist, haben die Flüchtlinge
in all den Jahren den Steuerzahler unnötig viel Geld
gekostet und werden abgeschoben – obwohl Deutschland
angesichts der niedrigen Geburtenrate und der drohenden
Überalterung junge, lernwillige oder sogar bereits beruflich
qualifizierte, großenteils offensichtlich couragierte und
leistungsfähige, in den meisten Fällen wahrscheinlich auch
integrationsbereite Einwanderer gut gebrauchen könnte. Was kann getan werden, um diesen Unfug zu beenden?
Was ist zu tun?
Alle Maßnahmen, die darauf zielen, die Zahl der Flüchtlinge
durch Abschreckung zu reduzieren, haben sich bislang als wenig
wirkungsvoll erwiesen: Besser als der Tod, als Folter,
Verfolgung, Krieg, Rechtlosigkeit, Hunger, Elend und Not ist ein
Aufenthalt in Deutschland oder generell in der EU als Flüchtling
in der Regel nämlich allemal.
Alle Maßnahmen, die darauf zielen, die Lage in den
Heimatländern der Flüchtlinge in politischer, wirtschaftlicher
und sozialer Hinsicht, insbesondere bezüglich der Beachtung der
Menschenrechte, zu verbessern, können nur langfristig wirken –
sofern es denn überhaupt solche Maßnahmen in nennenswertem
Umfang gibt. Die Lage im Irak, im Iran, im Sudan, im Kongo, im
Jemen, in
Syrien, Libyen, Nigeria, Somalia, Eritrea, Simbabwe, Uganda,
Saudi-Arabien, Afghanistan, Pakistan, Russland, Weißrussland, China usw. usf. wird wohl noch
über viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte oder Jahrhunderte genug Gründe liefern,
aus diesen Ländern zu fliehen. Deutschland muss also damit
rechnen, dass auch in den kommenden Jahren jeweils
Hunderttausende kommen und einen Asylantrag stellen werden.
Folgende Maßnahmen sind meines Erachtens geeignet, das
Problem zu entschärfen:
- Die Flüchtlinge müssen auf die Staaten der EU angemessen
verteilt werden: Weder ist es angemessen, dass die
Flüchtlinge in jenem Staat der EU einen Asylantrag stellen
müssen, dessen Boden sie zuerst betreten, denn dann müssten
die an das Mittelmeer grenzenden Staaten der EU die meisten
– und damit unverhältnismäßig viele – Flüchtlinge aufnehmen,
noch ist es in Ordnung, dass diese Staaten die Flüchtlinge
einfach in die nördlicheren Länder, also u. a. nach
Deutschland, weiterschicken. Gerecht und vernünftig wäre es
hingegen, die Flüchtlinge entsprechend der Wirtschaftskraft der EU-Staaten auf diese zu verteilen.
Innerhalb von Deutschland sollte der Bund für den größten
Teil der Kosten aufkommen, die die Flüchtlinge verursachen:
Die Hilfe für die Flüchtlinge ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe und kann nicht von den
einzelnen Kommunen und Ländern finanziert werden.
- Es muss wesentlich schneller entschieden werden, ob ein
Antragsteller Asyl erhält oder als Flüchtling anerkannt wird
oder ob er abgeschoben werden kann. Im Zweifelsfall sollte
zugunsten des Antragstellers entschieden werden. Alle
Personen, die als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge nach
der
Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden oder die
zwar nicht anerkannt werden, aber trotzdem wegen der
Verhältnisse in ihrem Heimatland auf längere Sicht nicht
dorthin abgeschoben werden können, sollten sofort ein
dauerhaftes Aufenthaltsrecht, eine Arbeitserlaubnis und
Integrationshilfen wie z. B. Sprachunterricht und
Unterricht hinsichtlich der Verfassung, des politischen
Systems, des korrekten landestypischen Benehmens etc. erhalten. Die
bisherige Praxis oft jahrelanger Unsicherheit ist für die
Betroffenen eine Zumutung und kostet Deutschland viel Geld,
da die Asylbewerber in dieser Zeit kaum eine legale Arbeit
ausüben können. Welcher Arbeitgeber beschäftigt denn
jemanden oder bildet ihn gar aus oder weiter, wenn er
befürchten muss, dass die betreffende Person kurzfristig
abgeschoben wird?
- Wer in Deutschland leben möchte, muss sich verpflichten,
das Grundgesetz, die Menschenrechte sowie die Gesetze des
Landes zu achten. Das sollte eigentlich selbstverständlich
sein, ist es aber offenbar nicht, wie die in manchen
Vierteln größerer Städte existierenden
Parallelgesellschaften zeigen. Es geht z. B. nicht an,
dass muslimische männliche Jugendliche oder Männer Mädchen
und Frauen verachten, anmachen oder bedrohen, weil diese
ihrer Meinung nach nicht züchtig genug bekleidet sind, dass
Ehemänner ihre Frauen wie Sklavinnen behandeln und Eltern
ihre Kinder zwangsverheiraten. Ebenso sind Gewaltanwendung,
Blutrache und Selbstjustiz in Deutschland verboten. Generell
muss Respekt vor den Werten des Landes gefordert werden, in
dem man lebt. Einem Menschen, der in Deutschland Schutz
sucht und Schutz gewährt bekommt, dann aber grundlegende
Werte der deutschen Gesellschaft massiv oder wiederholt
missachtet, sollte das Aufenthaltsrecht meines Erachtens
wieder entzogen werden können.
- Um jene, die aus wirtschaftlichen Gründen nach
Deutschland kommen und keine Chance haben, als
Asylberechtigte oder Flüchtlinge anerkannt zu werden oder
wegen der Verhältnisse in ihrem Heimatland in Deutschland
zumindest geduldet zu werden, eventuell davon abzuhalten,
überhaupt einen Asylantrag zu stellen, und um zugleich
geeignete Bewerber für den deutschen Arbeitsmarkt in jenen
Bereichen zu finden, in denen Bewerbermangel herrscht,
sollten Ankömmlinge die Möglichkeit erhalten, entweder einen
Asylantrag zu stellen oder sich in einem klar geregelten,
transparenten
Verfahren um eine Einbürgerung aufgrund ihrer Fähigkeiten
und Kenntnisse zu bewerben. Vielleicht lässt sich die Zahl
derer, die allein aus wirtschaftlichen Gründen nach
Deutschland kommen und über einen Asylantrag versuchen,
möglichst lange in Deutschland zu bleiben, durch ein solches
geordnetes Einbürgerungsverfahren – bei gleichzeitiger
deutlicher Verkürzung der Asylverfahren – signifikant
verringern.
Verhalten der Bevölkerung
Nach allen Umfragen ist eine Mehrheit der Bevölkerung bereit,
Menschen in Not zu helfen, und zwar durchaus auch
Asylbewerbern/Flüchtlingen in Deutschland. Es gibt zahlreiche
Initiativen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich
für Flüchtlinge engagieren. Andererseits gibt es eine lautstarke
Minderheit, die angesichts der Flüchtlinge aus fremden
Kulturkreisen den Untergang des Abendlandes befürchtet oder
zu befürchten vorgibt und selbst vor Gewalt gegenüber
Asylbewerbern bzw. generell fremd aussehenden Menschen – und
auch gegenüber Deutschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen – nicht
zurückschreckt. Es ist offenkundig, dass gewaltbereite
Fremdenfeinde weder die Werte des Christentums nach jene der
Aufklärung noch jene des Grundgesetzes vertreten, sondern
lediglich Sündenböcke suchen oder ihre eigene Lust auf Randale,
Gewalt und Verbrechen ideologisch bemänteln wollen.
Politikerinnen und Politiker sollten ihnen nicht nach dem
Munde reden und "Verständnis" zeigen, sondern sie
sollten sich zunächst couragiert für jene einsetzen, die am
dringendsten Hilfe brauchen – und das ist nicht der rechte Mob.
Natürlich kann und darf man ein mulmiges Gefühl zu haben, wenn
pro Jahr mehrere hunderttausend Flüchtlinge aus fremden Kulturen
nach Deutschland kommen – der Verfasser selbst hat es auch,
freilich aus anderem Grund als der rechte Mob: Als Schwuler bin
ich nicht davon begeistert, dass viele Menschen nach Deutschland
fliehen, die von Kindheit an gelernt haben, Homosexualität als
Sünde oder Verbrechen anzusehen, und ich kann nur hoffen, dass
die Integrationskraft des "guten" Deutschland groß genug ist,
bei den Flüchtlingen einen Sinneswandel herbeizuführen.2
Letztlich aber kann man meines Erachtens nicht guten Gewissens
dringend benötigte – und leistbare – Hilfe von vornherein
verweigern, weil man Befürchtungen bezüglich des Weltbildes und
Verhaltens der Flüchtlinge hat.
In erster Linie für diese Hilfe zuständig ist meines
Erachtens der Staat. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
Sozialstaat, dessen Aufgabe nicht nur darin besteht, für Recht
und Ordnung und Sicherheit zu sorgen, sondern der in gewissem
Maße auch für das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Bürgerinnen
und Bürger und in ähnlicher Weise auch der Flüchtlinge
verantwortlich ist.3 Wenn Ehrenamtliche den Staat bei
der Hilfe für Flüchtlinge unterstützen, ist das gut und
lobenswert, aber es besteht für den Einzelnen keine zwingende
ethische Verpflichtung zur persönlichen Flüchtlingshilfe. Für
viele voll berufstätige Bürgerinnen und Bürger, die sich auch
noch um Haushalt und eventuell Kinder kümmern müssen, dürfte
eine solche Hilfe schon rein zeitlich gar nicht zu schaffen
sein, von Sprachproblemen etc. einmal ganz abgesehen. Was man
von allen Bürgerinnen und Bürgern dagegen erwarten können muss,
sind Unvoreingenommenheit und eine hohe Steuermoral.
1 Vgl. Sie zur Geschichte der Asylpolitik in der
Bundesrepublik Deutschland z. B. den Artikel "Im Boot war
niemals Platz. Schon in den sechziger Jahren klagte ein
fränkischer Bürgermeister, sein Ort sei durch Flüchtlinge »überlastet«.
Ein Argument, das bis heute dazu dient, Migranten abzulehnen –
vor allem Sinti und Roma" von
Volker Land in DIE ZEIT vom 20.8.2015.
2 Vgl. Sie zum Thema
z. B. den Text
Homophobie und Schwulenhass – Ursachen und Gegenmaßnahmen.
3 Vgl. Sie zum Thema z. B. den Text
Freiheit statt
Solidarität? Welchen Staat wollen wir?
Entstehungszeit: August 2015
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