Alternativ: Mobilversion
Homepage
Spiele wie Memory
Die Überzeugung, dass alle Menschen
von Geburt an gleiche, unveräußerliche Rechte besitzen, dass sie
frei geboren und zu einem von äußeren Zwängen z. B. aufgrund
religiöser oder kultureller Normen oder gar nackter Gewalt
freien Leben in materieller Grundsicherheit berufen sind, dass ihre
Menschenrechte Vorrang vor jedem staatlichen Recht bzw.
Stammes-, Sippen- oder sonstigem Gruppenrecht haben und
letztlich nur durch die identischen Rechte der anderen Menschen
begrenzt werden, ist im Wesentlichen eine Frucht der
europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts.
Eine absolute Begründung der Menschenrechte gibt es allerdings
nicht: Dass jeder Mensch das Recht auf Leben und Freiheit,
materielle Grundsicherheit und freie Entfaltung der
Persönlichkeit hat, solange er keinem anderen Menschen damit
schadet, ist kein Naturgesetz, sondern eine wenn auch
vernunftgemäße, auf der wissenschaftlich nachweisbaren
wesentlichen Gleichheit aller Menschen basierende, aber
gleichwohl nicht von jedem Menschen, jeder Gemeinschaft und
jedem Staat respektierte
zwischenmenschliche Übereinkunft. Geschichte und Gegenwart
lehren, dass die Achtung vor dem Anderen nicht
selbstverständlich ist und Versklavung, Folter, Mord etc. dem
Menschen nicht wesensfremd sind.
Menschen sind jedoch nicht nur im Wesentlichen gleich, sondern
zugleich im Detail verschieden: Die Rangordnung innerhalb von
und zwischen Menschengruppen basierte ursprünglich – und basiert
in vormodernen Gesellschaften und Subkulturen heute noch – vor
allem auf den Unterschieden bezüglich Körperkraft und
Aggressivität – z. B. zwischen Frauen und Männern, aber
natürlich auch zwischen den Männern untereinander. In
patriarchalischen Stammeskulturen und deren zeitgenössischen
Nachfolgern leiten die Männer aus ihrer zumeist vorhandenen
körperlichen Überlegenheit und im Durchschnitt größeren
Aggressivität – die in archaischen und gesetzlosen Zeiten
durchaus sinnvoll (gewesen) sein mag, z. B. um Schwangere,
Mütter und Kinder vor Raubtieren oder Angehörigen fremder Horden
zu schützen – nach wie vor das – oft religiös oder
pseudowissenschaftlich "begründete" – Recht ab, Frauen zu
benachteiligen und zu unterdrücken oder sie – bei Ungehorsam –
sogar zu ermorden. Wer meint, dass Unterschiede bezüglich
Körperkraft oder Aggressivität oder z. B. auch hinsichtlich Hautfarbe
oder Stammeszugehörigkeit Benachteiligungen bis hin zu Unterdrückung
und Mord rechtfertigen, wird
sich auch kaum eines Besseren belehren lassen, solange er persönlich
davon profitiert oder zu profitieren glaubt.
In modernen Gesellschaften kommt es freilich im Berufsleben und
generell nicht vor allem auf die Körper-, sondern auf die
Geisteskraft, die Kommunikationsfähigkeit etc. an. Eine
Gesellschafts- oder Staatsform, die dem nicht Rechnung trägt,
wird untergehen oder marginalisiert werden. Gesellschaften und
Staaten, welche die weibliche Hälfte der Bevölkerung – z. B.
unter Berufung auf den Koran oder die kulturelle Tradition – weitgehend
von Bildung und Berufstätigkeit ausschließen und massiv benachteiligen, dürfen
sich nicht wundern, wenn ihre wirtschaftliche Leistung hinter
jener westlicher Staaten zurückbleibt. Umgekehrt sorgt der
Zugang von Mädchen und Frauen zu Schul- und Berufsbildung und
zum Arbeitsmarkt und die darauf beruhende Chance auf ökonomische
Unabhängigkeit wohl am ehesten dafür, dass die Diskriminierung der
Frauen endet.
Erstmals vor aller
Welt deklariert wurden die Menschenrechte in der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte am 10.12.1948 vor
der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Obwohl
inzwischen alle Mitglieder der UNO sich zur Achtung der
Menschenrechte verpflichtet haben, werden sie dennoch in weiten Teilen der Welt, z. B. in
vielen afrikanischen und asiatischen Staaten sowie generell in allen
undemokratischen politischen Systemen, in Theorie und Praxis
missachtet.
Allerdings verweigern selbst die demokratischen, politisch,
wirtschaftlich und kulturell entwickelten Staaten Europas
etliche Grundrechte – z. B. die Rechte auf
Gleichheit vor dem Gesetz, auf Arbeit und gerechten Lohn, auf
Wohlfahrt und auf Bildung oder zumindest auf
Befriedigung der
materiellen und soziokulturellen Grundbedürfnisse – in
unterschiedlichem Ausmaß großen Gruppen von Menschen – in
Deutschland z. B. Asylbewerbern und Flüchtlingen – und deren
Kindern –, überhaupt vielfach Ausländern, aber auch
vielen Arbeitslosen, insbesondere Empfängern von Harz IV, sowie
Empfängern von Sozialhilfe und deren Angehörigen.
Kurzum: Die wirtschaftlich und politisch Schwachen genießen auch
in Deutschland – dem Grundgesetz zum Trotz und obwohl bei
entsprechender Verteilung genug Geld zur Befriedigung aller
materiellen Grundbedürfnisse zur Verfügung stände – nicht die vollen
Menschenrechte.
Entstehung und Voraussetzungen von Demokratie und Menschenrechten
Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte hindurch gab es
freilich kaum
ein Bewusstsein der individuellen Menschenrechte: Der Einzelne
war eingebunden in zumeist patriarchalische Sippen-, Gruppen-
und Stammesstrukturen, später in Feudalstrukturen mit Königen
und Fürsten bzw. generell Anführern, die im Rahmen zumeist
religiös begründeter Grundnormen weitgehend unumschränkt über
das gemeine Volk herrschten und gesetzgeberische, ausführende
und richterliche Gewalt auf sich vereinten.
Dieser Vorrang der Gemeinschaft und ihres Anführers ist offenbar
in der Natur des Menschen angelegt und lässt sich auch bei
unseren nächsten noch lebenden Verwandten, den Menschenaffen, beobachten:
Menschen sind in strukturierten Gruppen lebende Rudeltiere.
Selbst in Demokratien werden Führungspersönlichkeiten gesucht,
nicht Fachleute zu Anführern gewählt, und im Bereich der
Wirtschaft gibt es eine direkte Mitbestimmung der Beschäftigten
nahezu nirgends – auch nicht in Deutschland. Im Unterschied zu
Diktaturen und erblichen Monarchien bieten Demokratien jedoch
regelmäßig die Möglichkeit des friedlichen Machtwechsels durch
allgemeine und freie Wahlen in einem rechtsstaatlich geordneten
Verfahren.
Ein Gesellschafts- und Staatssystem, das die Rechte des
Einzelnen den Ansprüchen und Normen der Gemeinschaft weitgehend
unterordnet, war lange Zeit hindurch auch durchaus sinnvoll, nämlich
so lange, wie das Überleben der Gemeinschaft davon abhing, dass
alle Mitglieder zuverlässig und fast automatisch ihre jeweilige
Funktion innerhalb der Gemeinschaft erfüllten und bei Gefahr
rasch reagiert werden konnte. Aus eben diesen Gründen gibt es
noch heute auch in Demokratien sowohl in der Wirtschaft (bei
einem kapitalistischen Wirtschaftssystem) als auch beim Militär
kaum bzw. keine demokratischen Strukturen und nur sehr eingeschränkt
Rechte des Einzelnen: Die Willensbildung und
Entscheidungsfindung könnte bei demokratischen Strukturen in
diesen Bereichen im Ernstfall zu lange dauern und die Freiheit
des Einzelnen das Funktionieren des Ganzen gefährden.
Erst in wirtschaftlich relativ entwickelten Gesellschaften ohne
permanente kriegerische Bedrohung konnte sich – z. B. in
der Antike in Athen und Rom, im Mittelalter in den
reichsfreien Städten, später in England und Amerika – eine Schicht von
hinreichend wohlhabenden und gebildeten Bürgern etablieren, die
– zum Schutz ihres Eigentums und ihrer persönlichen Freiheit vor
dem willkürlichen Zugriff von Herrschern, die lediglich durch
militärische Macht oder monarchische Erbfolge, aber nicht durch
politische und wirtschaftliche Klugheit und die Zustimmung des
Volkes legitimiert waren – politische Teilhabe und
Freiheitsrechte forderten und aufgrund ihrer
wirtschaftlichen Macht in unterschiedlichem Ausmaß auch erreichten.
Dieser Prozess verläuft freilich oft sehr langsam: Kulturelle
und politische Traditionen sind zäh und halten sich oft auch
dann noch, wenn die materiellen Ursachen ihrer Entstehung längst
nicht mehr existieren. Die
Ausbildung lebensfähiger Demokratien erfolgte in Europa dann vor allem in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Geschichte Roms, der
Weimarer Republik und all der anderen Republiken, die in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden und wieder
untergingen, zeigt freilich, dass Demokratisierung nicht
unumkehrbar ist.
Betrachtet man die Geschichte der Demokratien in Europa und
Nordamerika, erkennt man, dass Demokratien fast nur dann entstehen und
sich behaupten können, wenn erstens ein Mindestmaß an Wohlstand
und Sicherheit vorhanden ist, so dass die Bevölkerung sich nicht
nach einem Erlöser aus Not und Gefahr sehnt und nicht
irgendeinen Rattenfänger zum Führer macht oder als Führer
akzeptiert, und wenn zweitens eine hinreichend breite Schicht
von Bürgern existiert, die – schon aus Eigeninteresse – gewillt
und zudem fähig ist, den demokratischen Staat zu tragen, seine
Beamten und Angestellten und sein politisches Personal zu
stellen und für Wohlstand und Sicherheit für alle oder zumindest
für den weit überwiegenden Teil der Wählerschaft sowie für
Arbeit oder sinnvolle Beschäftigung insbesondere für die jungen
Männer zu sorgen. Letzteres ist erforderlich, um deren Bedürfnis
nach Betätigung und Bestätigung zu befriedigen und dadurch
destruktivem Verhalten vorzubeugen. Wer also den Sozialstaat im
Sinne eines fürsorglichen und sozial gerechten Staates abschafft
oder minimiert, gräbt womöglich der Demokratie das Grab.
Aus Sicht von Demokraten wünschenswert wäre es natürlich, wenn
alle Menschen so viel politische Bildung und Selbstwertgefühl
besäßen, dass sie auf Führer und Sündenböcke verzichten könnten,
aber damit ist angesichts des evolutionären Erbes der
Menschheit und der materiellen Verhältnisse auf absehbare Zeit
wohl nicht zu rechnen.
Demokratie und Menschenrechte außerhalb Europas und
Nordamerikas
Aus dem bisher Beschriebenen geht klar hervor, warum Demokratie
und Menschenrechte es außerhalb Europas und Nordamerikas so
schwer haben: Die meisten dortigen Staaten sind wirtschaftlich
unterentwickelt und haben keine breite Schicht von Besitz-
und/oder Bildungsbürgern, die – zum Schutze ihres Eigentums und/oder zur
Erweiterung ihrer persönlichen Freiheitsrechte – sowohl daran
interessiert als auch aufgrund ihrer wirtschaftlichen Macht
auf längere Sicht dazu in der Lage wären, politische
Veränderungen in Richtung Demokratisierung zu bewirken.
Dass Indien trotz seiner Unterentwicklung eine Demokratie
geblieben ist, ist wohl als Ausnahme von der Regel zu werten und
großenteils den quasimonarchischen Führungspersönlichkeiten zu
verdanken. Allerdings führen selbst wirtschaftliche Wohlfahrt und ein
formal demokratisches politisches System nicht automatisch zu
demokratischen Verhältnissen, wie am Beispiel Singapur zu sehen
ist: Das Verlangen nach Freiheit muss schon vorhanden sein.
In Afrika dominieren immer noch archaische patriarchalische
Stammesgesellschaften, die bislang jeden Versuch einer echten Demokratisierung
– und auch jeden echten einheimischen Kapitalismus, der
schließlich auf der Tatkraft Einzelner und auf Privateigentum basiert – zunichte
gemacht haben. Der Kontinent wird fast durchgängig von
"Politikern" beherrscht, die vorrangig die Mehrung
ihrer eigenen Macht – oft mittels Gewalt, Kriegen und
Bürgerkriegen – und ihres
eigenen Besitzes bzw. des Besitzes ihrer Sippe im Sinn haben und
nicht selten vom Westen mittels Entwicklungshilfe alimentiert
werden. Wo – wie in Simbabwe – eine erfolg- und ertragreiche private
Landwirtschaft aus kolonialer Vorzeit bestand, wurde sie von
den neuen Machthabern zerstört. Deshalb gibt es in afrikanischen
Ländern, die einst
landwirtschaftliche Überschüsse produzierten, nunmehr Hungersnöte. Man darf gespannt sein, ob die Republik
Südafrika den gleichen Weg gehen wird.
In von islamischen Geistlichen oder von Islamisten beherrschten Ländern sorgt zusätzlich der orthodoxe
Islam mit seiner Interpretation des Korans als wortwörtlicher
Offenbarung Gottes für politischen und kulturellen Stillstand
oder sogar Rückschritt. Auch wirtschaftlicher Erfolg ist dort
nicht technischem Fortschritt zu verdanken, sondern basiert –
sofern vorhanden – ausschließlich auf Ölreichtum. In China schließlich hat die Regierung
zwar den Kommunismus als Wirtschaftssystem weitgehend entsorgt,
wagt aber keine umfassende Demokratisierung – was angesichts des
sozialen Sprengstoffes, der sich in China inzwischen angehäuft hat, und des
Fehlens einer breiten staatstragenden Schicht noch nicht einmal
völlig unverständlich ist.
Ohne Demokratie aber gibt es keine wirklich dauerhafte Achtung
der Menschenrechte, sondern allenfalls eine zeitweilige Duldung,
die von Lust und Laune bzw. dem Charakter oder dem politischen
Marketing des jeweiligen Herrschers oder der jeweiligen
Regierung abhängt und jederzeit wieder beendet werden kann. Erst
demokratische Strukturen, rechtsstaatliche Gesetze und
Verfahrensweisen, eine unabhängige Justiz, eine freie
Presse, eine entsprechende politische Bildung sowie Menschen,
die sich dafür einsetzen, dass diese kulturellen
Errungenschaften erhalten bleiben, sorgen dafür, dass die Menschenrechte nicht nur auf dem
Papier stehen, sondern – in der Regel1 – auch
wirklich beachtet werden. Auch in Demokratien wie Deutschland
kann es freilich vorkommen, dass eine Mehrheit ihre Vorurteile –
oft mit pseudowissenschaftlicher Begründung – zum Gesetz erhebt
und damit einer Minderheit Unrecht zufügt. Leider kann man nicht
darauf vertrauen, dass das Bundesverfassungsgericht solche
Gesetze in jedem Fall korrigiert.2
Förderung von Menschenrechten und Demokratie
Wie die militärischen Interventionen vor allem der USA in
Afghanistan und dem Irak belegen, kann man einer Gesellschaft
– bzw. in der Praxis insbesondere dem männlichen Teil einer
patriarchalisch strukturierten
Stammesgesellschaft – Demokratie und eine Kultur der Menschenrechte kaum mit Gewalt
aufzwingen. Die gewaltfreie Arbeit der
Menschenrechtsorganisationen
wiederum bewirkt in der Regel nur punktuell
etwas und ändert nicht die Machtstrukturen. Man kann deshalb
letztlich lediglich helfen, die Voraussetzungen dafür zu
schaffen, dass in den betreffenden Gesellschaften Wissen und
Vernunft, Menschen- und Freiheitsliebe wachsen und langfristig
dazu führen, dass Demokratie und Gleichberechtigung von einer
Bevölkerungsmehrheit gewünscht und durchgesetzt werden. Militärische Interventionen bei Völkermord o. Ä. sind bei
hinreichenden Erfolgsaussichten dagegen sicherlich sinnvoll und
ethisch korrekt.
Keine hinreichende, aber eine fast unerlässliche Voraussetzung
für Demokratie und Achtung vor den Menschenrechten ist – wie
bereits erwähnt – ein Mindestmaß an Wohlstand: Wer ums
nackte
Überleben kämpft, ist kaum bereit, die Rechte anderer Menschen
zu respektieren bzw. ihnen überhaupt Rechte zuzubilligen. Wenn
der Westen also Demokratie und die Achtung vor den
Menschenrechten fördern will, kann er z. B. zunächst dafür
sorgen, dass alle Menschen sauberes Trinkwasser, genug zu essen
etc. haben. Dabei ist es gewiss statthaft,
Entwicklungshilfe an Fortschritte z. B. auf den Gebieten
Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung, Bildung,
Demokratisierung bzw. generell an Fortschritte
bei der Verwirklichung der Menschenrechte zu koppeln.
Den Hunger bekämpft man mittel- oder langfristig am besten durch Förderung / Modernisierung der Landwirtschaft
in den Entwicklungsländern, wobei man darauf achten sollte, dass
keine Monokulturen entstehen und die biologische Vielfalt des
jeweiligen Landes nicht zerstört wird. Kontraproduktiv ist es
dagegen sowohl, die eigenen Landwirte zu subventionieren und
deren
überschüssige Erzeugnisse zu Dumpingpreisen oder gar als
kostenlose "Hungerhilfe" in den
Entwicklungsländern zu verteilen und auf diese Weise die dortigen
Bauern zu ruinieren, als auch, die
Bauern, Großgrundbesitzer und Regierungen in den
Entwicklungsländern durch entsprechende Nachfrage und Preise
dazu zu verführen oder sogar durch politischen und
wirtschaftlichen Druck dazu zu erpressen, statt für die eigene
Bevölkerung für den Export zu produzieren, also statt
Grundnahrungsmittel z. B. Mais als Futtermittel für europäische
Mastbetriebe oder Zuckerrohr als Grundlage für
Biosprit anzupflanzen.
Denn je weniger Grundnahrungsmittel angebaut werden, desto
knapper und teurer werden sie natürlich. Deshalb kann auch der
Verbraucher in den Industrienationen durch Verzicht auf üppigen
Fleischkonsum und häufiges Autofahren zur
Verringerung des Hungers in der Welt beitragen. Bei den meisten
Produkten kann der Verbraucher allerdings nicht erkennen, unter
welchen Bedingungen und auf wessen Kosten sie hergestellt
wurden. Eine entsprechende Kennzeichnungspflicht wäre hilfreich.
Zu begrüßen ist auch, wenn Unternehmen aus Industrieländern
– langfristig sowie unter Beachtung von Umwelt- und
Arbeitsschutzaspekten, was mangels entsprechender nationaler
Gesetze bzw. internationaler Abkommen allerdings nicht die Regel
ist – in Entwicklungsländern investieren und
dort Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen, auch wenn dadurch in
den Industrieländern weniger Geld für Investitionen verbleibt.
Solche Investitionen helfen nicht nur den
Entwicklungsländern, sondern auch den Industrienationen: Die Verringerung der wirtschaftlichen Ungleichheit macht
Zufriedenheit und Frieden wahrscheinlicher, erhöht in Diktaturen
die Chancen auf Demokratisierung und Beachtung der
Menschenrechte und reduziert Migrationswünsche und Terrorismus.
Da die Abwesenheit von Hunger und ein gewisser Wohlstand jedoch
nicht zwangsläufig zu demokratischen, gerechten und gewaltfreien
Verhältnissen führen, muss auch in die Bildung und die sozialen
Sicherungssysteme investiert werden. Bildung ermöglicht die
geistige, Wohlstand in Verbindung mit sozialer Sicherheit die
materielle Unabhängigkeit des Einzelnen und befreit die Menschen
in den Entwicklungsländern u. a. von dem Zwang, möglichst
viele Kinder großziehen zu müssen, um zum einen von deren
Arbeitskraft zu profitieren und zum anderen fürs Alter
vorzusorgen. Allerdings spielen bezüglich des Kinderreichtums in
patriarchalischen Stammesgesellschaften nicht nur ökonomische
Gründe, sondern auch – angesichts einer
Weltbevölkerung von bald 7 Milliarden Menschen längst
obsolete, aber immer noch wirkmächtige – kulturelle und
religiöse Normen eine große Rolle.
Kurzum: Die besten Mittel zur Verbreitung von Demokratie und
einer Kultur der Menschenrechte sind wirtschaftliche
Entwicklung, soziale Sicherheit und Bildung. Wer wirtschaftlich
saturiert ist und persönlich frei sein möchte, tut gut daran,
sich für jene Gesellschaftsform und jenes politische System zu
engagieren, die Wohlstand und Freiheit für alle am ehesten
gewährleisten, und das sind nach den bisherigen historischen
Erfahrungen eine pluralistische Gesellschaft und eine
parlamentarische Demokratie in Verbindung mit einem
marktorientierten Wirtschafts- und Finanzsystem – das allerdings
in stärkerem Maße als bisher staatlich bzw. vor allem supranational
beaufsichtigt werden müsste, um seine Verwerfungen zu mildern,
seine Umweltverträglichkeit zu garantieren und dafür zu sorgen,
dass seine Früchte der ganzen Bevölkerung zugute kommen.
1 Zu den Ausnahmen in Deutschland u. a.: Christina
Brüning, Im Zweifel für den Polizisten. Warum werden
gewalttätige Beamte so selten verurteilt? Ein Beispiel aus
Berlin, in: DIE ZEIT, 30.04.2008; Sabine Rückert, 110 – Bei
Anruf Tod, in: DIE ZEIT, 03.01.2008; außerdem
Amnesty Deutschlandbericht 2004 sowie, ebenfalls von Amnesty
International,
Täter unbekannt. Mangelnde Aufklärung von mutmaßlichen
Misshandlungen durch die Polizei in Deutschland, Berlin 2010,
sowie die entsprechenden Artikel im
Amnesty
Journal 08/09 2010 unter dem Gesamttitel "Täter: unbekannt –
Warum Übergriffe durch die Polizei in Deutschland nur schwer
aufzuklären sind und es kaum Verurteilungen gibt". Generell
zum Thema:
http://www.amnesty-polizei.de/
2 So wies das Bundesverfassungsgericht z. B. im Jahr
1957 eine Verfassungsbeschwerde gegen
§ 175 unter Hinweis auf „die sittlichen Anschauungen des
Volkes“ zurück. Eine Verfassungsbeschwerde gegen § 173, der
Inzest verbietet, und zwar auch den einvernehmlichen Beischlaf
zwischen volljährigen leiblichen Geschwistern, der im konkreten
Fall vorlag, wurde im Frühjahr 2008 vom
Bundesverfassungsgericht ebenfalls u. a. unter Verweis auf das allgemeine Sittengesetz zurückgewiesen. Aufgabe von
menschenrechtskonformen Gesetzen des Strafrechts darf es aber
nicht sein, die religiösen oder sittlichen Vorstellungen von
Bevölkerungsgruppen – auch nicht der Bevölkerungsmehrheit –
durchzusetzen, sondern den (körperlich, geistig, wirtschaftlich
oder aufgrund seiner Friedfertigkeit) Schwächeren vor Egoismus
und Willkür des (körperlich, geistig, wirtschaftlich oder
aufgrund seiner Aggressivität) Stärkeren zu schützen. Auch eine
eugenische Argumentation ist nicht zulässig – andernfalls müsste
der Gesetzgeber z. B. auch Menschen mit Erbkrankheiten zur
Enthaltsamkeit oder zur Sterilisation verpflichten oder die
Abtreibung von Föten mit Behinderungen anordnen. Zudem ist die eugenische Argumentation
im Falle des Inzestes nicht stichhaltig: Körperliche oder geistige Behinderungen sind
bei Inzestkindern – zumindest wenn nicht bereits bei den
Vorfahren über viele Generationen hinweg die Zeugung von
Nachkommen zwischen nahen Verwandten üblich war – genauso selten wie sonst. In der Tierzucht ist
fortgesetzte Inzucht zur Optimierung des Zuchtergebnisses sogar
die Regel. Zum konkreten Fall:
Beschluss und Abweichende Meinung des Richters Hassemer zum
Beschluss des Zweiten Senats vom 26. Februar 2008 - 2 BvR 392/07;
Evelyn Finger, Das letzte Tabu, in: DIE ZEIT, 08.11.2007; Evelyn
Finger, Moral der Barbaren. Das Inzestverbot gilt weiter, in:
DIE ZEIT, 19.03.2008
Entstehungsjahr: 2008
nach oben |