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Ausgangslage
In Deutschland wird immer wieder, aber bislang ohne
praktische Auswirkungen diskutiert, ob ein
bedingungsloses Grundeinkommen geeignet wäre, Probleme
unseres Wirtschaftssystems (Wegfall von Arbeitsplätzen als Folge
von Automatisierung, Verschlechterung der Situation derzeit
hauptsächlich der wenig qualifizierten, zunehmend aber auch der
besser qualifizierten Arbeitnehmer, Selbständigen und
Kleinunternehmer, Verschiebung der Wertschöpfung von der Arbeit
zum Kapital) zu lösen oder zumindest zu mildern. Dabei wird
meistens davon ausgegangen, dass das bedingungslose
Grundeinkommen etwa in Höhe des soziokulturellen
Existenzminimums an alle Bürgerinnen und Bürger gezahlt wird –
unabhängig davon, ob diese noch über weitere Einnahmen z. B. aus
Erwerbsarbeit, Renten oder Vermögen verfügen. Nicht zuletzt die
weitgehende Unvorhersehbarkeit der Konsequenzen einer solchen
radikalen Umstellung hat bisher verhindert, dass sie realisiert
wurde, obwohl ein bedingungsloses Grundeinkommen vermutlich
erheblich zur Befriedung der Gesellschaft beitragen könnte.
Vorschlag
Deshalb sei vorgeschlagen, das volle bedingungslose Grundeinkommen
nur an jene zu zahlen, die keine Erwerbsarbeit ausüben und auch
sonst über keine regelmäßigen ausreichenden Einnahmen wie z. B. Renten
verfügen. In Deutschland gibt es in Form des Arbeitslosengeldes
II, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie
der Hilfe zum Lebensunterhalt ein verwandtes Grundeinkommen bereits, aber dieses Grundeinkommen ist nicht
bedingungslos, sondern meistens an die Bereitschaft zur
Arbeitsaufnahme und an eine
Bedürftigkeitsprüfung geknüpft. Dagegen schlage ich vor, das
bedingungslose Grundeinkommen wirklich bedingungslos zu
gewähren, also ohne Zwang zur Suche nach / Aufnahme von
Erwerbsarbeit und ohne die Verpflichtung, zunächst vorhandenes
Vermögen aufzubrauchen. Lediglich regelmäßige Erwerbsarbeit und
Renten sollen berücksichtigt werden.
Das Vermögen sollte deshalb unberücksichtigt bleiben, weil
die große Mehrheit der Bevölkerung sowieso kein
nennenswertes Vermögen besitzt und die negativen
gesellschaftlichen und politischen Folgen der Angst vieler
Arbeitnehmer, dieses Wenige bei längerer Arbeitslosigkeit auch
noch zu verlieren, nämlich Anfälligkeit für Duckmäusertum
einerseits und radikale Ideologien andererseits, meines
Erachtens in keiner vernünftigen Relation zum finanziellen
Nutzen stehen, den die Allgemeinheit durch die Anrechnung dieses
Vermögens hat. Wer dagegen wirklich reich ist, sollte sowieso
wesentlich mehr an Steuern zahlen müssen, als das bedingungslose
Grundeinkommen beträgt. Außerdem wird er in der Regel
erwerbstätig sein, z. B. als Selbständiger oder Unternehmer.
Eine Kumulation von Vermögen über Generationen hinweg und damit
auch von wirtschaftlicher Macht und – in Demokratien –
politischem Einfluss sollte meines Erachtens durch eine angemessen
hohe Schenkungs- und Erbschaftssteuer verhindert oder zumindest
abgeschwächt werden.1
Wenn jemand einer Erwerbsarbeit nachgeht, aber nicht in
Vollzeit, soll ihm das bedingungslose Grundeinkommen anteilig
gewährt werden: Wer eine halbe Stelle hat, soll das halbe
bedingungslose Grundeinkommen hinzuerhalten; wer eine
Drittelstelle hat, soll auf zwei Drittel des bedingungslosen
Grundeinkommens Anspruch haben. Bei Selbständigen und
Kleinunternehmern ist es allerdings kaum möglich, die
zeitliche Inanspruchnahme zu ermitteln. Bei ihnen könnte aber
immerhin wie bei Rentnern das Einkommen ohne Berücksichtigung
eventuell vorhandenen Vermögens bedingungslos aufgestockt
werden, wenn es unter dem soziokulturellen Existenzminimum liegt.
Die finanzielle Unterstützung in Form eines anteiligen
bedingungslosen Grundeinkommens bei Menschen mit einer
Teilzeitstelle scheint mir aus folgenden Gründen gerechtfertigt:
Viele Betroffene haben deshalb nur eine Teilzeitstelle, weil der
Arbeitsmarkt keine Vollzeitstelle füt sie hergab, obwohl sie
eine solche suchten: Diese Menschen sind also nicht nur
Teilzeitbeschäftigte, sondern zugleich auch Teilzeitarbeitslose.
Viele weitere Betroffene können deshalb nur in Teilzeit
arbeiten, weil sie noch andere Aufgaben erfüllen müssen oder
möchten: Sie kümmern sich z. B. um Kinder, Kranke oder
Pflegebedürftige oder engagieren sich sozial, kulturell oder
politisch. Natürlich gibt es auch Menschen, die in Teilzeit
arbeiten, um mehr Zeit für ihre Hobbys oder fürs Nichtstun zu
haben. Das mag einem vielleicht als nicht ganz so lobenswert
erscheinen, ist aber sicherlich kein triftiger Grund, ihnen ein
anteiliges bedingungsloses Grundeinkommen zu versagen, wenn man
andererseits Menschen, die gar keiner Erwerbsarbeit nachgehen,
aus welchen Gründen auch immer, ein volles bedingungsloses
Grundeinkommen gewährt. Außerdem dürfte es sich angesichts eines
vollen bedingungslosen Grundeinkommens bei voller
Arbeitslosigkeit für viele relativ gering entlohnte
Teilzeitbeschäftigte finanziell überhaupt nur dann lohnen, einer
Teilzeiterwerbsarbeit nachzugehen, wenn sie zusätzlich ein
anteiliges bedingungsloses Grundeinkommen erhalten.
Das vorgeschlagene Modell hätte zur Folge, dass Arbeitgeber
mehr als bisher um potenzielle Arbeitnehmer werben und über dem soziokulturellen Existenzminimum liegende Löhne zahlen
müssten und sich nicht mehr darauf verlassen könnten, dass es
aufgrund des faktischen Zwanges zur Erwerbsarbeit immer genügend
Menschen
gibt, die auch für Niedrigst- bzw. Mindestlöhne und unter
schlechten Bedingungen zu arbeiten bereit sind. Natürlich werden die
Unternehmen dann in noch stärkerem Maße als bisher versuchen,
Arbeiten zu automatisieren, aber zum einen ist es meines
Erachtens wünschenswert, standardisierbare Tätigkeiten von
Maschinen erledigen zu lassen, und zum anderen wird es wohl auch
in absehbarer Zukunft genug nicht standardisierbare Tätigkeiten
im handwerklichen, kaufmännischen, sozialen, künstlerischen und wissenschaftlichen
Bereich geben, um jeden Menschen, der es wünscht, wenn nicht mit
einer Vollzeit-, so doch mit einer Teilzeitstelle zu versorgen.
Grundsätzlich würde das gestaffelte bedingungslose
Grundeinkommen, auch wenn es nicht jedem gewährt würde, sondern
nur jenen, die keine Vollzeitstelle und keine ausreichende Rente
haben, zu einer (weiteren) Humanisierung der Arbeitswelt führen.
Es würde Geringverdienern und von Arbeitslosigkeit Bedrohten
Ängste nehmen und zum sozialen Frieden beitragen. Natürlich
würde es auch eine Umverteilung von oben nach unten bewirken –
aber angesichts der derzeitigen krassen Einkommens- und
Vermögensunterschiede in Deutschland wäre der Einkommensverlust
für die Wohlhabenden und Reichen wahrscheinlich so gering, dass
sie sich in ihrer privaten Lebensführung entweder gar nicht oder
kaum merkbar einschränken müssten. Ihnen würde höchstens vom
Überfluss etwas genommen.
Finanzierung
Da das Einkommen aus Erwerbsarbeit aufgrund der
fortschreitenden Automatisierung, des demografischen Wandels und
einer Zunahme von Teilzeitstellen langfristig weiter sinken
wird, kommt zur Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens
meines Erachtens neben einer Erhöhung indirekter Steuern wie der
Mehrwertsteuer auch eine
Wertschöpfungsabgabe in Betracht. Darüber hinaus könnten und
sollten die – in Deutschland fast nicht existenten – Erbschafts-
und Schenkungssteuern deutlich erhöht werden.
Wieviel Geld nötig ist, um ein gestaffeltes
bedingungsloses Grundeinkommen zu finanzieren, lässt sich nicht
genau vorhersehen, denn es hängt in beträchtlichem Maße
davon ab, wie viele Menschen sich mit dem soziokulturellen
Existenzminimum begnügen würden. Das aber ist nicht wirklich
voraussagbar, auch wenn in einer Leistungs- und
Konsumgesellschaft zu erwarten ist, dass es zumindest anfangs
nicht allzu viele Menschen sein werden. Die Finanzierung des
bedingungslosen Grundeinkommens für Kinder, Jugendliche und
Teilzeitbeschäftigte würde aber auf jeden Fall Steuererhöhungen
irgendeiner Art notwendig machen. Im Vergleich zu einem
bedingungslosen Grundeinkommen in Höhe des soziokulturellen
Existenzminimums für alle Bürgerinnen und Bürger dürfte
ein gestaffeltes bedingungsloses Grundeinkommen gleichwohl die
preiswertere Alternative sein und dennoch einen vergleichbaren
Beitrag zur Befriedung der Gesellschaft leisten.
1 Vgl. Sie zum Thema Steuern auch den Text
Vorschläge für ein
besseres Steuersystem.
Entstehungszeit: Februar 2016
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