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Der Kapitalismus ist eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,
in der das Kapital (Maschinen, Fabriken, Geld) die
Faktoren Arbeit und Grundbesitz dominiert und
das primäre Ziel der Kapital besitzenden Wirtschaftssubjekte
zumeist die maximale Vermehrung
des investierten bzw. zu investierenden Kapitals ist. Politische Grundlagen des Kapitalismus sind
die freie Verfügung der Wirtschaftssubjekte über das
Privateigentum, insbesondere auch über das Privateigentum an den
Produktionsmitteln wie Maschinen und Fabriken, sowie die
Freiheit der Wirtschaftssubjekte, nach eigenem Ermessen ihr Kapital zu investieren und als Unternehmer Waren und
Dienstleistungen ihrer Wahl auf einem freien, weitgehend unregulierten, im
Prinzip weltweiten Markt anzubieten. Dabei richten sich die
Unternehmen nach den erkennbaren oder vermuteten oder mittels
Werbung zu weckenden Wünschen und Bedürfnissen sowie nach der
Kaufkraft der (potenziellen)
Konsumenten.
Idealiter stehen die Unternehmen in
Konkurrenz zueinander und müssen sich deshalb bemühen, Waren
anzubieten, die die Kundenbedürfnisse und -wünsche möglichst
optimal erfüllen. Der Wettbewerb der Unternehmen untereinander
führt zu Investitionen in neue Technologien, um die angebotenen
Produkte und Dienstleistungen zu verbessern sowie neue, noch
bessere zu kreieren und um rationellere, kostengünstigere
Produktionsverfahren zu entwickeln. – Inzwischen dominieren
allerdings in vielen Branchen einige wenige große
Unternehmen weltweit den Markt. Für den Konsumenten ist das nicht
immer ersichtlich, weil die früher selbständigen und dann von
größeren Unternehmen aufgekauften Firmen häufig formal als
eigenständige Unternehmen mit eigenen Marken erhalten bleiben.
Dadurch wird der Anschein von Wettbewerb erzeugt, den es in
Wahrheit aber oft kaum mehr gibt, weil die scheinbar miteinander
konkurrierenden Unternehmen letztlich zum gleichen Konzern
gehören oder zumindest durch Aktienbesitz miteinander verbunden
sind.
Im Idealfall hat der Kunde den vollständigen
Überblick über das weltweite Angebot und kauft nach rationalen
Kriterien ein. Dabei zählt zu den wichtigsten Kriterien häufig die
Preisgünstigkeit des Angebotes – bei Statussymbolen allerdings
nicht zwingend. In der Praxis freilich hat der Kunde weder die Zeit
noch die Möglichkeit, alle Angebote zu erkunden und miteinander
zu vergleichen, und entscheidet meistens mehr oder weniger
spontan nach Erfahrungswerten und aufgrund von Gewohnheiten.
Durch die Werbung und das soziale Umfeld wird er zudem häufig
veranlasst, Waren zu kaufen, die einen höheren Status oder Glücksgefühle
verheißen, aber objektiv überflüssig sind.
Aufgabe des Staates ist es nach der reinen kapitalistischen
Lehre, das
Privateigentum und die Freiheit des Wirtschaftens zu schützen
und Rechtssicherheit zu gewährleisten. Außerdem muss er dafür
sorgen, dass der – stets durch das Streben der Unternehmen nach
Monopolen, Oligopolen oder Kartellen gefährdete –
Wettbewerb funktioniert und neue Marktteilnehmer tatsächlich Zugang zum
Markt erhalten.
Soziale Marktwirtschaft
Wo es Gewinner gibt, gibt es in der Regel auch Verlierer: Wenn
ein Unternehmen Kunden und Marktanteile verliert, weil es zu schlechte oder zu
teure oder veraltete oder nicht trendige und deshalb nicht nachgefragte Waren
anbietet oder weil es seine Waren schlecht vermarktet, kann es
zu Kapital- und Arbeitsplatzverlusten oder sogar zum Bankrott
des Unternehmens kommen. Gleiches kann – bei kleineren Betrieben
– passieren, wenn der Betrieb zahlungsunfähig wird, z. B. weil
Großkunden ihre Rechnungen nicht rechtzeitig begleichen und die
Bank keinen Überbrückungskredit einräumt.
Die Arbeitnehmer sind für Fehlentscheidungen des Unternehmers
oder des Managements oder der Banken natürlich nicht
verantwortlich, müssen aber in Form von Arbeitsplatzverlusten
oder von Lohnverzicht zwecks – oft nur vorläufigen – Erhalts der
Arbeitsplätze die Folgen tragen, während die Manager meistens
finanziell bestens abgesichert sind und lediglich einen
Prestigeverlust zu befürchten haben. Die Arbeitnehmer sind auch nicht – bzw.
allenfalls indirekt in ihrer Rolle als knauserige Konsumenten –
verantwortlich, wenn zu wenige neue Arbeitsplätze entstehen und
deshalb Arbeitslose keinen neuen Arbeitsplatz finden,
Berufsanfänger keinen Erstjob und Schulabgänger keinen
Ausbildungsplatz. Was man
dennoch gegen die Arbeitslosigkeit tun kann, habe ich bereits in
früheren Texten – z. B. in
Kein Recht auf Faulheit? und Was
braucht der Mensch? Vom steuerfreien Existenzminimum und
notwendigen Luxus – skizziert.
Dabei scheint mir der
Streit um angebots- oder nachfrageorientierte Maßnahmen ziemlich
müßig zu sein: Ohne Angebot gibt es bei allen Waren, die keine
Grundbedürfnisse befriedigen, keine Nachfrage, und ohne Geld
kann man das Angebotene nicht kaufen. Der Staat muss also zum
einen möglichst günstige Bedingungen für Investitionen schaffen
– z. B. Rechtsklarheit und -sicherheit, gute Kindergärten,
Schulen und Hochschulen und damit sowohl gut ausgebildete als
auch verantwortungsbewusste sowie lern-
und urteilsfähige Arbeitnehmer und Arbeitgeber, eine gute
Infrastruktur, wenig Bürokratie – und kann zum anderen bei
Bedarf – und unter der Voraussetzung, dass er über hinreichende
finanzielle Mittel verfügt – die Nachfrage stimulieren, z. B.
durch Senkung der Einkommensteuer oder der
Sozialversicherungsbeiträge oder durch eine Erhöhung des
Sozialtransfers.
Um die mit dem Kapitalismus untrennbar verbundenen Härten des
Wettbewerbs und damit von Unternehmens- und
Arbeitsplatzverlusten zu mildern, gibt es in Deutschland
Arbeitslosengeld
I,
Arbeitslosengeld II und Hilfen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.
Wegen dieser und sonstiger Hilfen für in Bedrängnis geratene
Arbeitnehmer – z. B. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
Krankengeld, Grundsicherung bei dauernder Erwerbsunfähigkeit –
sowie wegen des regulierenden Eingreifens des Staates in den
Markt mit dem Ziel, erstens Wettbewerb zu ermöglichen und
zweitens für einen fairen Wettbewerb zu sorgen, spricht man von
Sozialer Marktwirtschaft.
Lohnhöhe und Mindestlöhne
In einer Marktwirtschaft – auch in einer Sozialen
Marktwirtschaft – wird das Entgelt in der Regel zwischen
Arbeitnehmern und Arbeitgebern frei ausgehandelt, und zwar
zumeist nicht zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem
Unternehmen, das sich dem einzelnen Arbeitnehmer gegenüber
gewöhnlich in einer deutlich überlegenen Position befindet, sondern
zwischen den Tarifpartnern, also Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. In Zeiten von
Massenarbeitslosigkeit und der drohenden oder tatsächlichen
Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland können freilich
insbesondere Arbeitgeber ohne Tarifbindung die Löhne in manchen
Regionen und Branchen inzwischen nahezu nach Belieben drücken
und Löhne anbieten, die unter dem Existenzminimum für eine
Einzelperson liegen. Denn infolge von Hartz IV sind alle
Bezieher von Arbeitslosengeld II gezwungen, jeden nicht
sittenwidrigen Job, also auch jeden nicht ihrer Qualifikation
entsprechenden, jeden untertariflich bezahlten, jeden weit
entfernten und somit voraussichtlich zum Verlust sozialer
Bindungen führenden sowie jeden Minijob anzunehmen. Hartz IV ist
damit faktisch eine Einladung an die Arbeitgeber, Löhne
unterhalb des Existenzminimums zu zahlen und ihr Unternehmen
über Arbeitslosengeld II vom Steuerzahler subventionieren zu
lassen. Kombilöhne haben den gleichen Effekt.
Um das zu unterbinden, wäre erstens ein allgemeiner Mindestlohn
erforderlich, der über dem soziokulturellen Existenzminimum
liegen sollte, zweitens ein wirklich die Existenz sicherndes –
und nicht entwürdigendes, also z. B. schnüffelfreies –
Arbeitslosengeld II und drittens eine Änderung der
Zumutbarkeitskriterien: Nur wenn Arbeitslose nicht jeden
angebotenen Job annehmen müssen, sind Arbeitgeber gezwungen,
attraktive Jobs bzw. Jobs zu angemessenen Bedingungen
anzubieten.
Managergehälter und Unternehmensgewinne
Aber nicht nur über die Höhe von Mindestlöhnen, sondern auch
über jene von Managergehältern wird derzeit gern diskutiert.
Diese Diskussion mutet allerdings etwas merkwürdig an: Natürlich
werden mit hohen Managergehältern nicht die Leistungen der
Manager im Sinne von Arbeitseinsatz
bzw. -belastung honoriert – dann müssten viele Putzfrauen,
Krankenpfleger etc. mehr verdienen als Manager –, sondern deren hoffentlich gute Ideen und richtige
Entscheidungen, die den Unternehmensgewinn steigern, die
Arbeitsplätze sichern und das
Unternehmen für den Wettbewerb fit machen sollen: Auch ein fauler
Manager kann ein guter Manager sein und sein Gehalt ist
in erster Linie in Relation zum derzeitigen und künftig zu
erwartenden Unternehmensgewinn zu bewerten und nicht vorrangig
in Relation zum Gehalt und zur Arbeitszeit des Pförtners.
Manager sollen sich schließlich wie Unternehmer für das
Unternehmen einsetzen und es dank ihrer guten Ideen und ihrer
Tatkraft nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristig
voranbringen. Im Gegensatz zu Unternehmern setzen Manager
freilich nicht ihr eigenes Vermögen aufs Spiel, sondern das der
Aktionäre, weshalb ihr Gehalt kein Lohn für eingegangene
finanzielle Risiken sein kann.
Trotzdem: Hohe Gehälter für erfolgreiche Manager
sind durchaus zu rechtfertigen: Zwar gab und gibt es viele
Wissenschaftler, Erfinder etc., die mehr zum Wohl der Menschheit
beigetragen haben als die meisten Manager und dennoch nicht
üppig entlohnt worden sind bzw. werden, aber andererseits ist es
offenkundig gesellschaftlich akzeptiert, dass Sportler, Sänger,
Entertainer etc. zum Teil noch sehr viel mehr verdienen als
Manager und sogar – wie Franz Beckenbauer, Michael Schumacher
und andere prominente Steuerflüchtlinge – ihr in Deutschland
erspieltes Geld im Ausland versteuern. Wer kann dann Managern
hohe Gehälter verargen? Dafür zu sorgen, dass von den Gehältern ein angemessener Teil dem Gemeinwohl zugute kommt, ist
Aufgabe der
Steuergesetzgebung.
Erst wenn ein Manager trotz
hoher Unternehmensgewinne und eigenen hohen Einkommens
Entlassungen oder Lohnsenkungen durchsetzt, sind kritische
Nachfragen angebracht. Wer Mitarbeiter entlassen muss, weil
das Unternehmen andernfalls an Wettbewerbsfähigkeit verliert,
kann zwar durchaus verantwortungsvoll handeln, ist jedoch
sicherlich kein uneingeschränkt erfolgreicher Manager und sollte
dafür nicht auch noch zusätzlich finanziell belohnt werden.
Ebenso sollte ein Manager, der dafür verantwortlich ist, dass
das Unternehmen weniger Gewinn als zuvor oder sogar Verlust
macht, mit seinem Privatvermögen in jenem Maße dafür haften, in
dem er vorher am Gewinn beteiligt war. Falls er ohne
Rückendeckung durch Aktionäre und Arbeitnehmer unüblich hohe
Risiken eingegangen ist, sollte er meines Erachtens sogar
grundsätzlich mit seinem gesamten Privatvermögen für dadurch
entstandene Verluste haften.
Generell ist die Beteiligung von Managern am Unternehmensgewinn
allerdings nicht unbedingt ratsam, denn erwiesenermaßen besteht
dann die Gefahr, dass sie sich darauf konzentrieren, Strategien
zur kurzfristigen Erhöhung des Unternehmensgewinns und damit
ihrer eigenen Einkünfte zu entwickeln, statt an die mittel- und
langfristige Entwicklung des Unternehmens zu denken. Auch
erhöhen finanzielle Leistungsanreize nachweislich nicht oder
allenfalls kurzfristig die Kreativität und das Engagement von
Mitarbeitern: Wer kein Interesse an seiner Arbeit hat, wird auch
bei besserer Bezahlung sich nicht auf Dauer in höherem Maße für sie
interessieren – während eine Reduzierung des Entgelts durchaus
die Motivation weiter verringern kann. Wer dagegen sowieso schon
sehr engagiert arbeitet, kann seine Leistung auch bei höherer
Bezahlung kaum noch steigern. Schließlich ist zu beachten, dass
oberhalb einer gewissen Einkommensgrenze für die meisten
Menschen nicht mehr in erster Linie die absolute Höhe der
Vergütung wichtig ist, sondern die Relation zum Einkommen
anderer Menschen: Wer 12 Millionen Euro im Jahr verdient, lebt
nicht zwölfmal besser als jemand, der "nur" 1 Million Euro
verdient, sondern für ihn zählt vor allem, dass er viel mehr als
sein Managerkollege erhält und sein Ansehen entsprechend höher
ist: Viele Manager sind nämlich – wie viele andere Menschen auch
– nicht nur geldgierig, sondern auch geltungssüchtig.
Im Übrigen aber sollte
man meines Erachtens statt über die Höhe von Managergehältern besser über eine höhere Besteuerung
hoher und höchster Einkommen nachdenken, und zwar insbesondere jener, die
nicht auf eigener Arbeit oder "Leistung" beruhen, sondern z. B.
auf Zinsen, Dividenden, Aktiengewinnen, Mieteinnahmen,
Schenkungen, Erbschaften etc. Zu fragen ist ja nicht nur, wie
hoch die Gehälter der Manager im Vergleich zum Lohnniveau der
übrigen Beschäftigten des Unternehmens sind, sondern auch, wie
hoch oder niedrig im Vergleich zum Gewinn der Aktionäre,
insbesondere der Großaktionäre, die selber nichts dafür getan
haben.
Globalisierung
Unter Globalisierung in wirtschaftlicher Hinsicht versteht man
gemeinhin das rasante Anwachsen des weltweiten Warenhandels und der
Auslandsinvestitionen vor allem in den letzten Jahrzehnten. Zwar
gibt es weltweiten Fernhandel mit Luxusgütern bereits seit der
Antike und weltweiten Fernhandel mit Rohstoffen und Gütern des
täglichen Bedarfs in großem Stil bereits seit dem 19.
Jahrhundert, aber zu einer Konkurrenz für die etablierten
Unternehmen der Industriestaaten und vor allem für deren
Beschäftigte hat die Globalisierung im Wesentlichen erst in
den letzten Jahrzehnten geführt, seitdem sich Russland, China,
Indien und die osteuropäischen Länder für den Weltmarkt geöffnet
haben und asiatische Staaten wie Japan oder Südkorea den
technologischen Standard der alten Industrienationen erreicht
bzw. partiell sogar übertroffen haben.
Globalisiert wurden nicht nur der Warenhandel, sondern vielfach auch der
Produktionsprozess, der Service und sogar die Verwaltung: Bei vielen höherwertigen,
als Endprodukt aus
Deutschland stammenden Waren z. B. werden die Einzelteile in
Ländern mit niedrigerem Lohnniveau hergestellt und in
Deutschland lediglich zusammengefügt, und große europäische und
amerikanische Unternehmen haben ihre Buchhaltung, ihre Callcenter und ihre IT-Bereiche in kostengünstigere
Schwellenländer ausgelagert.
Die Basis der Globalisierung bilden der Abbau von
Handelshemmnissen, insbesondere von
Importzöllen und mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen für
bestimmte, auch von der jeweiligen heimischen Wirtschaft
hergestellte Waren, die Verfügbarkeit preiswerter Energieträger,
insbesondere von Erdöl, für den Transport von Waren, die
Verfügbarkeit schneller und kostengünstiger Kommunikationsmittel
wie Telefon, Fax und E-Mail sowie die Freiheit von Individuen und Unternehmen,
dort zu investieren, wo es ihnen am profitabelsten erscheint.
Positive Folgen der Globalisierung
Die Folgen der Globalisierung sind teils positiv, teils negativ,
wobei meines Erachtens die
bisherigen negativen Folgen teilweise hätten vermieden werden können, wenn der
notwendige Strukturwandel und die Öffnung von wirtschaftlich
wenig entwickelten Ländern für den Welthandel behutsamer
vorgenommen worden wären und man mehr auf die Umwelt und die
Bedürfnisse der Bevölkerung geachtet hätte. Die chinesische
Regierung z. B. hat – auch wenn ihre Menschenrechts- und
Umweltpolitik mangelhaft sind – gut daran getan, China nicht
bedingungslos dem Weltmarkt zu öffnen, sondern darauf zu achten,
dass sie Herr im eigenen Hause bleibt und Investitionen
ausländischer Unternehmen zu einem nachhaltigen wirtschaftlichen
und technologischen Fortschritt im eigenen Land führen.
Ähnliches gilt für Malaysia und Indien.
Zu den positiven Folgen der Globalisierung zählt, dass die Zahl
der Armen in den Entwicklungs- und Schwellenländern – abgesehen
von den afrikanischen Staaten südlich der Sahara, die bislang an
der Globalisierung kaum Anteil haben – deutlich abgenommen hat,
auch wenn es weltweit immer noch erschreckend viel Hunger und
Elend und viele vermeidbare Krankheiten und Todesfälle gibt.
Mehreren hundert Millionen Menschen jedoch geht es dank der
Globalisierung wirtschaftlich bedeutend besser: Sie haben
bezahlte Arbeit und dadurch mehr Geld und Wohlstand als vorher –
wenn auch häufig derzeit noch schlechtere Arbeitsbedingungen und
weniger Geld als vergleichbare Beschäftigte in den alten
Industrienationen. Falls China, Indien, Brasilien, Russland etc.
freilich den derzeitigen westlichen Lebensstandard anstreben,
wird das für die Umwelt und den Ressourcenverbrauch vermutlich
verheerende Folgen haben.
Profitiert haben außerdem jene Unternehmen, die groß oder
flexibel genug waren, die Globalisierung zu nutzen, insbesondere
natürlich Unternehmen, die Produkte herstellen, die mit hohen
Entwicklungskosten, aber relativ geringen Produktions- und
Transportkosten verbunden sind, z. B. Softwarehersteller oder
Pharmafirmen, sowie Unternehmen, die sehr spezialisierte und
hochwertige Produkte anbieten, für deren hinreichenden Absatz
die Nachfrage der heimischen Volkswirtschaft zu gering ist, z.
B. Unternehmen der Investitionsgüterindustrie.
Durch den Wegfall von Handelsschranken hat sich aber nicht nur
der Absatzmarkt der Unternehmen vergrößert, sondern viele
Unternehmen haben neue, zusätzliche Produktionsstandorte
errichtet, um zum einen gegenwärtige Lohndifferenzen und
sonstige Kostenvorteile wie z. B. niedrige Unternehmenssteuern
zu nutzen und zum anderen – bei einem zu erwartenden
langfristigen Anstieg der Löhne und damit der Kaufkraft in den
Schwellenländern – den potenziellen künftigen Kunden vor Ort
Service bieten zu können. Mit den Unternehmen profitiert haben
natürlich die Unternehmenseigner und -lenker, also Unternehmer
oder Aktionäre sowie Manager.
Zu den Gewinnern der Globalisierung gehören schließlich im
Prinzip die
Verbraucher: Der weltweite Wettbewerb erhöht das Angebot sowohl
der Menge als auch der Vielfalt und Qualität nach und lässt die
Preise sinken. Dabei sollte man freilich nicht übersehen, dass
ein Gutteil des Preisverfalls derzeit darauf beruht, dass die
Unternehmen in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern
für die Beschäftigten in der Regel weniger Lohn und
Sozialleistungen zahlen sowie den Arbeits- und den Umweltschutz
laxer handhaben (dürfen) als in den europäischen bzw.
westeuropäischen Staaten. Auch ist zu beachten, dass die
Arbeitnehmer in Deutschland zwar als Verbraucher von der
Globalisierung profitieren können, als Lohnabhängige aber auf
absehbare Zeit zumeist darunter zu leiden haben werden.
Negative Folgen der Globalisierung
Damit sind wir bei den negativen Folgen – nicht nur, aber auch – der Globalisierung, zu
denen vor allem der dramatisch ansteigende Verbrauch von
Rohstoffen und fossilen Energieträgern, der Klimawandel, die zunehmende
Umweltzerstörung z. B. durch Abholzung der tropischen
Regenwälder und Verschmutzung der Meere, die Abhängigkeit von der wirtschaftlichen
Entwicklung anderer Länder und den internationalen
Kapitalmärkten sowie die Vernichtung
heimischer, technologisch nicht international konkurrenzfähiger Unternehmen
und Wirtschaftszweige mit der Folge von
Arbeitslosigkeit und materieller Not der betroffenen
Erwerbstätigen zählen.
Speziell in den etablierten Industrienationen und vor allem in
Deutschland hatte und hat die Globalisierung für die meisten
Arbeitnehmer zur Folge, dass die Löhne durch die Konkurrenz von Billiglöhnern in den Entwicklungs- und Schwellenländern
stagnieren oder sogar sinken und das verfügbare Einkommen sowie
die reale Kaufkraft der Arbeitnehmerhaushalte seit Jahren immer
geringer werden – während Einkommen und Kaufkraft der
Freiberufler, Manager und
Kapitalbesitzer, insbesondere der Unternehmer und Aktionäre, im
gleichen Zeitraum kräftig stiegen.
Die Konkurrenz durch Billiglöhner
hat dabei nicht nur für die Beschäftigten in exportorientierten
Branchen und in Branchen, die für den heimischen Markt Waren
fertigen, die im Ausland preiswerter hergestellt werden können,
stagnierende oder sinkende Löhne zur Folge: Weil die Kaufkraft
der Konsumenten insgesamt abnimmt, schrumpfen die
Umsätze und Gewinne des Einzelhandels und der heimischen
Konsumgüterindustrie, was wiederum die Beschäftigten dieser
Branchen in Form von Entlassungen oder stagnierenden / sinkenden
Löhnen zu spüren bekommen. Das ist allerdings in vielen Branchen
trotzdem kein hinreichendes Argument für Niedrigstlöhne: Die
häufig beschämend niedrigen Löhne z. B. von Leiharbeitern, Friseusen,
Haushaltshilfen, Beschäftigten in der Gastronomie, Taxi- und
Kurierfahrern etc. sind in der Regel keine unmittelbare Folge
der Globalisierung, sondern des Überangebotes an Arbeitskräften.
Da die Einnahmen des Staates wegen der niedrigeren Löhne bzw.
des geringen Lohnanstiegs, der hohen Arbeitslosigkeit und der
deswegen fehlenden Steuern und Sozialbeiträge, der fast
gleichzeitig mit Hartz IV vorgenommenen Senkung des
Steuersatzes für Spitzenverdiener sowie diverser Steuergeschenke
für Unternehmen nicht mehr ausreichten, die Ausgaben für
Arbeitslosenhilfe, Renten und Beamtenpensionen zu decken, wurde
die Arbeitslosenhilfe zugunsten des in der Regel wesentlich
niedrigeren Arbeitslosengeldes II abgeschafft und die
Rentenformel so geändert, dass die Renten jetzt faktisch
eingefroren sind und Neurentner wesentlich geringere Renten
erhalten. Am schlimmsten traf und trifft es alle, die zum
Überleben auf die Hilfe des Staates angewiesen sind: Da
Arbeitslosengeld II, Grundsicherung etc. – insgesamt also die
frühere Sozialhilfe – nicht mit der Inflationsrate steigen, wird
die Not der Armen immer größer.
Konsequenzen
Als wichtigste Konsequenz aus der Globalisierung müssen die
Investitionen in Bildung und Ausbildung deutliche Priorität
genießen: Zwar schützt selbst eine gute Ausbildung nicht absolut
vor Arbeitslosigkeit, wie u. a. Lehrer, Physiker, Chemiker,
Biologen, Ingenieure und Informatiker sowie fast sämtliche
Geisteswissenschaftler in den letzten Jahrzehnten erfahren
mussten, aber die Wahrscheinlichkeit, (wieder oder doch noch)
einen guten Arbeitsplatz zu finden, steigert sie beträchtlich.
Wer noch nicht oder falsch oder nicht hinreichend qualifiziert
ist, sollte eine Erst- oder Zweit- oder Zusatzausbildung mit
Zukunftsperspektive absolvieren können. Klar ist jedenfalls,
dass Deutschland in Ermangelung von Rohstoffen und angesichts
seines Lohnniveaus nur mit hochwertigen und innovativen
Produkten sowie hervorragend qualifizierten Arbeitskräften
international konkurrenzfähig sein und den bisherigen
Lebensstandard halten kann.
Alle, die längere Zeit arbeitslos sind, sollten sinnvolle, ihren
Fähigkeiten und möglichst zumindest halbwegs auch ihren
Neigungen entsprechende Arbeits-, Aus- oder
Weiterbildungsangebote erhalten – womit keine 1-Euro-Jobs oder
Minijobs oder Jobs bei Leiharbeitsfirmen gemeint sind, die tendenziell reguläre Arbeitsplätze
vernichten, und auch keine untertariflich bezahlten bzw. den
Lebensunterhalt einer Einzelperson nicht sichernden Jobs. Ziel
der Arbeitsagenturen darf es nicht sein, Menschen in Jobs ohne
Zukunft zu drängen. Speziell zur Leiharbeit schlage ich vor,
gesetzlich vorzuschreiben, dass Leiharbeiter zumindest jenen
Lohn erhalten müssen, den ihre festangestellten Kollegen im
jeweiligen Betrieb bekommen, damit für die Arbeitgeber der
finanzielle Anreiz entfällt, reguläre Arbeitsplätze abzubauen
und stattdessen Leiharbeiter zu beschäftigen. Eigentlich müssten
Leiharbeiter zur Belohnung ihrer Flexibilität und als Ausgleich
für die verstärkte psychische Belastung sogar besser bezahlt
werden als die Stammbelegschaft.
Für Personen, die wegen physischer oder psychischer Handikaps
oder wegen ihres Alters oder deswegen, weil sie dem Arbeitsmarkt
– z. B. wegen der Pflege von Angehörigen – nicht voll zur
Verfügung stehen, keine Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt
haben, sollte der zweite Arbeitsmarkt ausgebaut werden, denn es
ist besser, aus Steuermitteln Arbeitsplätze zu finanzieren als
Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung zu zahlen. Solche
Arbeitsplätze könnten im sozialen oder kulturellen Bereich
angesiedelt sein.
Wer arbeitsunfähig oder im Rentenalter und auf staatliche
Unterstützung angewiesen ist, sollte eine ausreichende
Grundsicherung erhalten, die eine Teilhabe am sozialen Leben
ermöglicht und jährlich an die Inflationsrate anzupassen ist.
Alles das muss natürlich finanziert werden, und da die Einkommen
der Arbeitnehmer seit Jahren eher sinken als steigen und auch nicht
unbegrenzt mit immer höheren Steuern, Sozialabgaben und
Eigenbeteiligungen z. B. bei Krankheit oder beim Aufbau von
Rentenansprüchen belastet werden können, bietet es sich an, zum
einen Ausgaben zu verschieben oder zu vermeiden, z. B. den Bau
oder Ausbau von Straßen, die entweder nach kurzer Zeit sowieso
wieder genau so verstopft sind wie die bestehenden oder
vielleicht in einigen Jahren auch gar nicht mehr benötigt werden,
wenn die Benzinpreise weiter wie bisher steigen, und zum anderen
jene Personen verstärkt steuerlich zu belasten, die von der
Globalisierung am meisten profitieren, also Kapitalbesitzer und
deren Erben.
Das wäre zugleich ein Beitrag zu
mehr sozialer Gerechtigkeit und zur Verhinderung der
Verfestigung eines erblichen Geldadels, dessen Mitglieder
langfristig die Demokratie aushöhlen und zu einer Plutokratie
mit demokratischer Fassade werden lassen könnten. Eine Flat Tax
auf Kapitaleinkünfte statt der bisherigen progressiven
Besteuerung und die weitgehende Abschaffung der Erbschaftssteuer
– zumal für reiche Unternehmenserben – sind meines Erachtens
weder ökonomisch sinnvoll noch geeignet, das Vertrauen der
faktisch vermögenslosen, auf Arbeit und/oder Sozialtransfer angewiesenen
großen Mehrheit der Bevölkerung in die Weisheit und
Gerechtigkeit von Politikern zu stärken. Wie ein vernünftiges
und halbwegs gerechtes Steuersystem aussehen könnte, habe ich in
dem Text Vorschläge für
ein besseres Steuersystem bereits skizziert.
Notwendig zur Bewältigung der Globalisierung ist außerdem eine verstärkte internationale
Kooperation der Staaten, um u. a. weitere Umweltzerstörungen zu
verhindern, den Klimawandel zu begrenzen und soziale
Mindeststandards festzulegen. Diese Erkenntnis ist freilich
inzwischen Allgemeingut und findet sich mehr oder weniger
explizit z. B. auch in den Parteiprogrammen von
Bündnis 90/Die
Grünen, CDU,
CSU,
Die Linke,
FDP
und SPD.
Bevor man mit anderen Staaten über Maßnahmen gegen
weitere Umweltzerstörung, Luftverschmutzung etc. verhandelt, sollte man, um überzeugend auftreten zu können, im eigenen Land
am besten schon einige entsprechende Maßnahmen ergriffen haben.
Leider können einem manchmal erhebliche Zweifel kommen, dass das
in Deutschland bereits geschehen ist, z. B. dann, wenn ein Unternehmer die
Genehmigung für den Bau einer technisch veralteten, nach dem
einhelligen Urteil der hiesigen Ärzte sowie der
Wissenschaftler der Universität Paderborn die Gesundheit der Bevölkerung
erheblich gefährdenden, zur Beseitigung
des regionalen Mülls nicht benötigten, nur mit Problemmüll aus
der ganzen Welt wirtschaftlich zu betreibenden
Müllverbrennungsanlage in Paderborn-Mönkeloh – offenbar zur
Täuschung der Bevölkerung als Heizkraftwerk tituliert –
beantragt und letztlich wohl auch erhalten hätte, wenn es nicht
wegen des massiven Widerstandes der Bevölkerung – und gegen
Zahlung einer beträchtlichen finanziellen Abfindung durch die
Stadt Paderborn – auf die Weiterverfolgung seiner ursprünglichen
Pläne verzichtet hätte.
Zukunft der Globalisierung
Ob die Globalisierung eine Zukunft hat oder ob der weltweite
Warenaustausch und die weltweite Arbeitsteilung im derzeitigen
großen Umfang nur eine Episode sind, wird im Wesentlich davon
abhängen, ob es gelingt, durch supranationale Absprachen und
Maßnahmen Klimawandel und Umweltzerstörung zu
stoppen, den Verbrauch von Rohstoffen zu begrenzen bzw. durch
eine Kreislaufwirtschaft zu ersetzen sowie bezahlbaren Ersatz
für die fossilen Energieträger, also im Wesentlichen Erdöl, Erdgas und
Kohle, zu finden. Gelingt das nicht, werden der Welthandel, die
weltweite Arbeitsteilung und der Tourismus schon wegen der dann
sehr hohen Transportkosten wieder weitgehend zum
Erliegen kommen.
Aber auch wenn wir es noch rechtzeitig schaffen sollten, unsere
Lebensgrundlagen zu retten, Rohstoffe in hinreichendem Umfang zu
recyceln und erneuerbare bzw. praktisch unerschöpfliche Energien
wie Wasser, Wind und Sonnenlicht als Ersatz für Erdöl, Erdgas,
Kohle und Uran zu nutzen, wäre noch nicht gesichert, dass die
Globalisierung die Menschheit insgesamt wohlhabender und
friedfertiger macht: Das wäre erst dann zu erwarten, wenn die
Globalisierung zu einer annähernden Gleichheit der
Lebensverhältnisse oder wenigstens einer Zufriedenheit mit den
jeweiligen Lebensverhältnissen innerhalb der und zwischen den
Staaten führen würde, die Terrorismus, Kriege, blutige
Verteilungskämpfe und Flüchtlingsströme obsolet werden ließen.
Denn die Globalisierung des Wissens und der Informationsflüsse und damit
u. a. der Kenntnis der
Lebensverhältnisse anderswo wird sich trotz vieler Versuche vor
allem diktatorischer Regierungen, Informationen zu unterdrücken, wohl nicht mehr
auf Dauer aufhalten oder rückgängig machen lassen.
Speziell in Deutschland müsste die Kluft zwischen der (fast)
vermögenslosen und immer ärmer werdenden großen Mehrheit der
Bevölkerung, die von Lohn und/oder Sozialtransfer (Rente,
Kindergeld, Elterngeld, Arbeitslosengeld, Grundsicherung etc.) lebt, und
jenen paar Prozent der Bevölkerung, die von den Erträgen ihres
Vermögens leben können und immer reicher werden, wieder
verkleinert werden. Ob es zu
einem nationalen und supranationalen Ausgleich der materiellen
Interessen kommt, sollte man freilich nicht primär
Unternehmern und Managern überlassen, die systemkonform
eher auf Egoismus und Konkurrenz als auf Ausgleich geeicht sind. Engagement für
Gerechtigkeit und Frieden sollte man vielmehr vor allem von – insbesondere demokratischen – Politikern
erwarten dürfen, die
sich dem Gemeinwohl verpflichtet wissen.
Börsen und Aktiengesellschaften
An der Börse werden, wie jeder weiß, Aktien, Anleihen, Devisen
etc. gehandelt. Dieser Handel hat, da durch ihn die Kaufkraft
und Kreditwürdigkeit ganzer Volkswirtschaften sowie die
Besitzverhältnisse bei Aktiengesellschaften geändert werden
können, erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Umso
erschreckender ist es, dass die Aktienkurse
keineswegs getreu die Stärke oder Schwäche von Unternehmen widerspiegeln, sondern oft mehr oder weniger
willkürlich sind. Denn nicht allein die nackten wirtschaftlichen
Tatsachen bestimmen den Kurs, sondern auch – und oft überwiegend
– die Erwartungen und
Befürchtungen (potenzieller) Anleger, die Ratschläge –
oder
Manipulationsversuche – so genannter Wirtschaftsexperten und
Analysten sowie das Verhalten der übrigen Marktteilnehmer, z. B. die Manöver professioneller Spekulanten, die mit
publikumswirksamen An- und Verkäufen Kurse gezielt zu
beeinflussen suchen. Wer nicht an einem sehr langfristigen,
breit gestreuten Einsatz und an Dividenden interessiert ist,
lässt sich daher als Kleinanleger beim Börsenhandel auf nichts
anderes als ein Glücksspiel bzw. aufs Wetten ein. Das gilt natürlich erst recht
für das Zocken mit Derivaten etc.
Wegen der Irrationalität und des Glücksspielcharakters und des
kurzfristigen Gewinnhorizontes vieler
Aktionen an den Finanzmärkten ist zu überlegen, wie man solide
agierende, aber an der Börse unterbewertete oder aus sonstigen
Gründen ins Visier von Firmenjägern geratene Unternehmen vor Hedgefonds
oder anderen den kurzfristigen hohen Profit suchenden Spekulanten
oder auch vor – vielleicht nicht den kurzfristigen hohen Gewinn
suchenden, aber dafür eventuell politischen Druck ausübenden –
Staatsfonds diktatorisch regierter Staaten schützen kann. Denkbar wären z. B. eine Umwandlung von
Inhaberaktien in vinkulierte Namensaktien, eine Staffelung des
Stimmrechts in Abhängigkeit von der bisherigen Dauer des
Aktienbesitzes und/oder eine stärkere Beteiligung der
Arbeitnehmer am Eigenkapital des Unternehmens.
Banken und Finanzkrisen
Eine ganze Reihe von Banken haben in den letzten Jahren eine ziemlich unrühmliche Rolle gespielt: Eigentlich
ist es die primäre Aufgabe von Banken, Geld bei Privatpersonen
und Unternehmen, die es zur Zeit nicht benötigen, einzusammeln,
diesen dafür – relativ niedrige – Zinsen zu zahlen und das
eingesammelte Geld anderen, kreditwürdigen Unternehmen und
Privatpersonen, die Geld für Investitionen benötigen, zur
Verfügung zu stellen, wofür sie von diesen – relativ hohe –
Zinsen kassieren. Bei Engpässen kann sich die Bank von der
jeweiligen Zentralbank Geld zum Leitzins leihen. Von der
Zinsdifferenz lebt die Bank traditionellerweise und für
Kreditausfälle haftet sie traditionellerweise zunächst einmal
mit ihrem Eigenkapital.
Von diesem ehrbaren Geschäftsmodell sind einige Banken aber nach
und nach abgewichen, indem sie erstens Kredite an Personen und
Unternehmen vergeben haben, von denen sie von Anfang an wussten
oder hätten wissen können, dass sie nicht kreditwürdig sind, z.
B. an viele Häuslebauer in den USA oder an hochspekulative
Hedgefonds, und indem sie zweitens die wackligen
Hypothekenkredite der Häuslebauer gebündelt und – in betrügerischer Absicht? –
an andere, offenbar von entweder ziemlich dummen oder
unvorsichtigen bzw. allzu vertrauensseligen Personen geleitete
Banken weiterverkauft haben. Die Käufer haben offensichtlich vor
dem Kauf nicht genau überprüft oder nicht verstanden, was ihnen angeboten wurde, und
sich auf die völlig falschen, nämlich viel zu günstigen
Risikobewertungen bekannter Ratingagenturen
verlassen, die ihrerseits offenkundig die unrichtigen oder
ungenügenden Angaben der
Ursprungsbanken nicht hinterfragt haben. Das wäre sicherlich
nicht passiert, wenn Ratingagenturen für die Korrektheit ihrer
Bewertungen zivilrechtlich haften oder zumindest ein
transparentes Bewertungsverfahren und dessen einwandfreie
Durchführung garantieren müssten.
Inzwischen können viele
amerikanische Häuslebauer ihre Schulden nicht mehr bedienen und
die weiterverkauften Kreditpakete sind deshalb weitgehend
wertlos und unverkäuflich geworden. Das hatte zur Folge, dass einige
große Banken, darunter auch mehrere deutsche Banken in
Staatsbesitz, 2007/2008 praktisch
pleite gingen und nur deshalb noch existieren, weil der Staat
aus Angst vor einem Dominoeffekt keine Bank pleite gehen lässt.
Den Steuerzahler haben die – für Banken in Staatsbesitz äußerst
ungewöhnlichen – Spekulationen viele Milliarden Euro
gekostet und viele Mitarbeiter der betreffenden Banken den Job,
während die Verursacher der Krise nach wie vor in üppigem
Wohlstand, wenn nicht sogar Reichtum leben und für den
angerichteten Schaden nicht haften müssen.
Was ist zu tun, um solche Fehlspekulationen in Zukunft möglichst
zu verhindern? Vorgeschlagen wurde bisher im Wesentlichen, zum
einen die Banken zu verpflichten, bei risikoreichen Geschäften
mehr Eigenkapital vorzuhalten, um Verluste ausgleichen zu
können, und zum anderen keine Finanzprodukte mehr zuzulassen,
die so komplex sind, dass sie von einem Durchschnittsbanker
nicht mehr verstanden werden und deshalb hinsichtlich ihres
Risikos auch nicht eingeschätzt werden können. Meines Erachtens
sind das vernünftige Vorschläge.
Es gibt aber noch einen dritten Weg, die Zocker zu zähmen. Ich
habe ihn bereits oben bei der Besprechung der Managergehälter
erwähnt: Wenn Manager so unkontrolliert agieren und so viel
verdienen wollen wie Unternehmer, dann sollten sie auch ein
vergleichbares Risiko tragen. Das heißt konkret: Zumindest bei
sehr risikoreichen Geschäften sollten sie im Falle des
Misslingens mit ihrem gesamten Privatvermögen haften müssen.
Ein vollständiges Abschieben des Haftungsrisikos auf Versicherungen sollte
nicht erlaubt werden. Denn es kann doch wohl nicht in Ordnung sein, dass bei
katastrophalen Fehlinvestitionen die Aktionäre und vor
allem die Mitarbeiter den Schaden haben, nicht aber die
verantwortlichen Manager. Sehr risikoreiche Investitionen
sollten meiner Meinung nach sowieso ausschließlich mit
Wagniskapital finanziert werden dürfen.
Freilich haben bei den gigantischen Fehlspekulationen der Banken nicht nur deren Vorstände versagt, sondern auch die Aufsichtsräte.
Dass von einer wirksamen Kontrolle des Vorstandes durch den
Aufsichtsrat bei vielen deutschen Aktiengesellschaften nicht die
Rede sein kann, hängt wohl damit zusammen, dass in den
Aufsichtsräten entweder Personen sitzen, die von der Materie
kaum Ahnung haben und aus fachfremden Gründen in den
Aufsichtsrat gelangt sind, oder aber sozusagen zur gleichen
Clique gehörende Managerkollegen aus anderen Unternehmen bzw.
Manager im Ruhestand. Auch Aufsichtsräte sollten deshalb, wenn
sie Aufsicht und Umsicht vermissen lassen, mit ihrem
Privatvermögen haften müssen. Wie bei Vorständen sollte ein
vollständiges Abschieben des Haftungsrisikos auf Versicherungen nicht erlaubt
sein.
Schadensersatzansprüche gegen Vorstand und Aufsichtsrat sollten
bei krassen unternehmerischen Fehlentscheidungen und krassen
Verletzungen der Aufsichtspflicht nicht nur die Aktionäre,
sondern auch die – in der Regel sehr viel existenzieller
betroffenen – entlassenen Lohnabhängigen haben.
Entstehungsjahr: 2008
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