Zufriedenheit und Glück

 

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Von Leid verschont zu bleiben sowie glücklich und zufrieden leben zu können sind wesentliche Wünsche wohl aller Menschen. Wie diese Wünsche zu verwirklichen sind und welche Umstände und Verhaltensweisen ihre Verwirklichung fördern, ist allerdings durchaus umstritten.

Erwiesen ist, dass Hunger, Durst, übermäßige Kälte und Hitze, Krankheit, physische und psychische Verletzungen, Unfreiheit bzw. Mangel an Selbstbestimmung und Mitwirkungsrechten, Bedrohungen z. B. durch Gewalt oder wirtschaftliche Unsicherheit, ferner Überforderung und Überanstrengung, aber auch Arbeitslosigkeit und die Angst vor Arbeitslosigkeit sowie Langeweile und Einsamkeit bzw. der Verlust sozialer Beziehungen – auch z. B. durch erzwungene Mobilität – dem Glück abträglich sind. Jeder vernünftige Mensch wird sich deshalb bemühen, mittels guter (z. B. genügend abwechslungsreicher und weder physisch noch psychisch schädigender), sinnvoller und ihn selbst befriedigender oder zumindest akzeptabler Arbeit ein ausreichendes, materieller Not vorbeugendes Einkommen zu erzielen, auf seine Gesundheit zu achten sowie soziale Beziehungen zu erhalten, aufzubauen und zu pflegen, die ihm Anerkennung und Zuwendung verschaffen.

Eine sich als solidarisch verstehende Gesellschaft bzw. ein Sozialstaat werden ihn bei diesen Bemühungen unterstützen, z. B. durch eine Wirtschaftspolitik, die die Schaffung guter und möglichst sicherer Arbeitsplätze fördert sowie effektiv und effizient bei der Arbeitssuche, Qualifizierung und Weiterqualifizierung hilft, und durch eine Sozialpolitik, die bei Notlagen wie Krankheit, Erwerbsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit für ein auskömmliches Einkommen während der Zeit der Notlage sowie – falls möglich – für eine Gesundung bzw. Wiedereingliederung sorgt. Da die meisten Menschen sich mehr vor Verlusten fürchten als über Gewinne freuen, ist es außerdem sinnvoll, generell eine Politik zu betreiben, die das Bedürfnis der weit überwiegenden Mehrheit der Menschen nach Sicherheit nicht nur bezüglich des Schutzes vor Kriminalität, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht ernst nimmt.

Da die Arbeitsplatzschaffung und -sicherung bei einer bezüglich der Rohstoffe und Energieträger sehr stark importabhängigen, bezüglich der Endprodukte dagegen stark exportabhängigen Wirtschaft wie der deutschen kaum allein im nationalen Rahmen gelingen kann und um zu verhindern, dass multinationale Unternehmen die Staaten gegeneinander ausspielen, sind – nicht nur bei Wirtschaftskrisen – kontinuierliche Konsultationen und ein konzertiertes Handeln aller Staaten zum Wohle aller anzustreben.

Darüber hinaus werden weitsichtige Politiker die Bedingungen dafür zu schaffen versuchen, dass das Gemeinwesen auch in Zukunft wirtschaftlich gut aufgestellt ist, und deshalb in Bildung, Ausbildung, Erziehung bzw. Begleitung und Unterstützung der Eltern, Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung investieren. Da die Rohstoffreserven und die fossilen Energieressourcen der Erde begrenzt und zudem die Rohstoffe und Energieträger exportierenden Staaten großenteils Diktaturen oder Halbdiktaturen und daher relativ unberechenbar sind, wird ein vorausschauender Staat zudem die Einsparung von Rohstoffen und Energie, die Nutzung regenerativer Energien wie Wind, Sonne, Wasser und Erdwärme sowie die Wiederverwertung wertvoller Rohstoffe fördern und notfalls auch einfordern. Weil die Wiederverwertung nur dann wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn sich die Rohstoffe zu vertretbaren Preisen, also relativ leicht wiedergewinnen lassen, sind eventuell entsprechende Produktionsrichtlinien notwendig. Auch längere Garantiezeiten, die die Hersteller zwängen, auf langlebige Produkte zu setzen, würden zu Einsparungen beim Rohstoffverbrauch führen.

Außer um gute und sichere Arbeitsplätze, um die materielle Absicherung von Arbeitslosen, Kranken, Behinderten, Rentnern und Pflegebedürftigen sowie um die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Gemeinwesens und der Energie- und Rohstoffressourcen muss der Staat sich darum bemühen, Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit sowie persönliche Freiheit und Sicherheit zu gewährleisten, damit seine Bürger glücklich und zufrieden leben können. In vielen Staaten Europas gelingt das bislang leidlich, aber schon in Italien sowie in manchen Staaten Osteuropas kann davon keine Rede sein, ganz zu schweigen von den Zuständen in Diktaturen und in Staaten ohne jede funktionierende Zentralgewalt. In Deutschland stellen vor allem der Rechtsextremismus, der islamische Terrorismus und das Organisierte Verbrechen1 ernsthafte und wachsende Gefahren dar.

International sollten sich die Industriestaaten, wenn sie an einer friedlichen Zukunft interessiert sind, zuallererst für ein Ende des Wachstums der Weltbevölkerung einsetzen, entsprechend in die Entwicklungsländer investieren und sie politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren versuchen. Andernfalls wird es in absehbarer Zeit zum einen wegen des Bevölkerungswachstums selbst, zum anderen wegen des Klimawandels und den – weltweit gesehen – daraus resultierenden geringeren Ernteerträgen sowie zum Dritten wegen der gestiegenen Ansprüche und des steigenden Fleischkonsums in den so genannten Schwellenländern in immer mehr armen Ländern und Regionen zu Nahrungsmangel kommen und deshalb vermehrt zu Verbrechen, Völkerwanderungen und Kriegen um Land und sonstige Ressourcen – von den verheerenden Folgen der Bevölkerungsexplosion in den letzten zweihundert Jahren und wahrscheinlich auch noch in den kommenden Jahrzehnten für Flora und Fauna einmal ganz abgesehen.

Nach den bisherigen Erfahrungen sind die sichersten Mittel, um das Bevölkerungswachstum zu stoppen, Bildung, ein hoher Lebensstandard, Gleichberechtigung der Geschlechter und funktionierende staatliche Sozialsysteme (Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, Sozialhilfe). Der Wille und die Fähigkeit zu einer effektiven Geburtenkontrolle resultieren daraus dann fast von selbst – aller Fortpflanzungsfixiertheit vieler Zweige der abrahamitischen Religionen zum Trotz. Denn je weniger das Individuum zur sozialen Absicherung auf seine Familie und im Alter vor allem auf seine Nachkommen angewiesen ist, desto eher wird es auf Kinderreichtum verzichten.

Bei seinem Bemühen, für (annähernde) Vollbeschäftigung und für wirtschaftliche Sicherheit der Arbeitnehmer(innen) und ihrer Kinder zu sorgen, sollte der Staat die Qualität der Arbeitsplätze nicht außer Acht lassen: Es ist nicht in jedem Falle jede Arbeit besser als keine Arbeit. Unterbezahlte Arbeit, von der eine Einzelperson nicht ohne zusätzliche staatliche Stütze leben kann, unsichere Arbeitsplätze bei Zeitarbeitsfirmen, bei denen die Leiharbeiter zudem deutlich schlechter bezahlt werden als die Stammbelegschaft, sowie befristete Arbeitsverhältnisse, die keine Zukunftsperspektive eröffnen und z. B. keine Familiengründung erlauben, sind auf Dauer keine Alternativen zu regulären Arbeitsplätzen. Die Einrichtung von Teilzeitjobs – aber nicht von Mini- oder 1-Euro-Jobs, die reguläre Arbeitsplätze verdrängen – sollte der Staat dagegen fördern, um die Arbeit gleichmäßiger zu verteilen.

Natürlich sind Teilzeitjobs vor allem für Personen geeignet, die mit dem gegenüber einer Vollzeitstelle geringeren Gehalt auskommen können. Andererseits: Warum sollten zumindest Gut- und Besserverdiener nicht mit einem wegen reduzierter Stundenzahl reduzierten Entgelt auskommen können, wenn Arbeitslose zum Teil mit noch viel weniger Geld auskommen müssen? Dabei zähle ich z. B. viele Facharbeiter in den Großunternehmen der Branchen Maschinenbau und Elektrotechnik, der Automobil-, der Chemie- und der Metallindustrie durchaus schon zu den Gutverdienern, da ihre Einkommen deutlich über dem Durchschnittseinkommen liegen. Auf weitere mögliche sinnvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit habe ich bereits in früheren Texten hingewiesen, z. B. in Wirtschaftspolitik – Irrwege und Auswege. Überlegungen zum guten Leben.
 

Konkurrenz und Reichtum

Zu fragen ist ferner, ob unsere Gesellschaft mit ihrem allumfassenden Konkurrenzdenken und ihrer Hochschätzung materiellen Reichtums nicht grundsätzlich auf dem Holzweg ist. Konkurrenz kann zweifellos zum Fortschritt im Sinne einer Verbesserung der Lebensbedingungen beitragen und Freiheit von materieller Not ist sicherlich erstrebenswert. Aber Wettbewerb ist keine zwingende Voraussetzung z. B. für wissenschaftliche oder künstlerische oder sonstige Höchstleistungen. Vielmehr sind dafür in der Regel das Interesse an der Sache selbst sowie die natürliche Neugier, der natürliche Schaffensdrang und der natürliche Ehrgeiz des Menschen die Ursachen, wie man sie bei jedem Kind beobachten kann, das nicht ständig mit Verboten traktiert und entmutigt wird.

Bei Wettbewerben muss auch nicht unbedingt Geld der Siegespreis und sollte nicht die Vernichtung des Konkurrenten das Ziel sein. Außerdem sind Einkommen und Vermögen keine geeigneten Maßstäbe zur Beurteilung von Menschen. Zudem ist Geld nicht generell als Anreiz geeignet: Ein Wissenschaftler z. B., der nicht um des Erkenntnisgewinnes oder um des Nutzens für seine Mitmenschen willen forscht, sondern hauptsächlich, um hinterher Patente zu Geld machen zu können, oder der vor allem an einem hohen Gehalt und weniger an guten Forschungsbedingungen interessiert ist, hat meines Erachtens den Beruf verfehlt. Denn eine intrinsische Motivation lässt sich durch finanzielle Anreize nicht dauerhaft ersetzen.

Inzwischen hat das Konkurrenzdenken sogar dazu geführt, dass selbst innerhalb von Unternehmen die einzelnen "Profitcenter" und Beschäftigten miteinander konkurrieren (müssen) und deshalb – nicht selten zum Schaden des Gesamtunternehmens – gegeneinander agieren statt zu kooperieren. Das alles ist umso merkwürdiger, als in Wahrheit kein Unternehmen wirklich an Konkurrenz interessiert ist, sondern ganz im Gegenteil daran, eine Monopolstellung zu erlangen und die Preise diktieren zu können.

Schließlich führt wirtschaftliche Konkurrenz nicht zwangsläufig zu sinnvollen und preiswerten Produkten, denn mit cleverem Marketing lässt sich offenbar nahezu jeder prestigeträchtige oder Unterhaltung versprechende Artikel verkaufen, wie überflüssig und/oder überteuert er auch sein mag, und der mündige Verbraucher ist leider wohl vielfach eher Fiktion als Realität. Andernfalls gäbe es in Deutschland nicht so viele überschuldete Personen – durchaus nicht nur Hartz-IV-Empfänger. Kurzum: Konkurrenz sollte kein Selbstzweck sein, sondern zu besseren Produkten und Dienstleistungen führen. Leistung einzig über Wettbewerb und mittels finanzieller Belohnungen – statt z. B. (auch) über gesellschaftliche Anerkennung oder intrinsischen Ehrgeiz – initiieren zu wollen, ist in vielen Bereichen unsinnig. Konkurrenz statt Kooperation innerhalb von Unternehmen – oder auch von Schulklassen – ist sogar ausgesprochen kontraproduktiv.

Geld oder die Steigerung des Unternehmensgewinns sind darüber hinaus auch für Unternehmer und Manager entgegen der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie und der landläufigen Ansicht häufig nicht Selbstzweck, sondern nur Mittel zum Zweck des Erwerbs von Anerkennung und Ansehen. Denn ab einer – ziemlich niedrigen – Wohlstandsschwelle verstärkt weiterer Wohlstand oder Reichtum das Gefühl von Glück und Zufriedenheit kaum noch.2 Spätestens jetzt muss es dem Unternehmer oder Manager gelingen, sich von Gier und Neid oder gar Hass auf vermeintliche oder tatsächliche Konkurrenten und Gegner zu befreien und zu erkennen, dass es nun sinnvollerweise nicht mehr hauptsächlich um die Mehrung des persönlichen Reichtums gehen kann, sondern um ein Wirken zum Wohle des Unternehmens, also seiner Kunden, Beschäftigten etc., sowie letztlich auch zum Wohle von Staat und Gesellschaft.
 

Solidarität und Bescheidenheit

Der in unserer Gesellschaft ganz offen z. B. von Wirtschaftsverbänden, Wirtschafts"wissenschaftlern" und unternehmenseigenen Stiftungen propagierte Geist des Wettbewerbs, des Eigennutzes, der Selbstherrlichkeit und der Rücksichtslosigkeit muss also in die Schranken gewiesen und korrigiert werden durch Werte wie Solidarität, Nächstenliebe, Selbstlosigkeit, Rücksichtnahme, Mitgefühl sowie Bescheidenheit im Wissen um die eigene Fehlbarkeit, Unwissenheit, Unzulänglichkeit, Unwichtigkeit, Ersetzbarkeit, Verletzbarkeit und Sterblichkeit. Das hört sich vielleicht altbacken und realitätsblind an, aber Fakt ist, dass ohne diese Werte kein menschliches Zusammenleben möglich ist. Jede Familie z. B. ist auf diese Werte gegründet und angewiesen und jedes Unternehmen, bei dem es nur Egoisten gibt, die sich gegenseitig bekriegen, ist zum Scheitern verurteilt. Und selbst miteinander konkurrierende Personen / Gruppen / Unternehmen / Staaten müssen sich zumindest an die Spielregeln halten und fair spielen, wenn ein friedliches Zusammenleben möglich sein soll.

Aber nicht nur für die jeweilige Gruppe, sondern auch für den Einzelnen selbst sind die genannten Werte von Vorteil: Zwar wird ihn ein Denken und Handeln, das diesen Werten entspricht, in der Regel nicht reich und mächtig machen – aber wahrscheinlich dauerhaft glücklich und zufrieden, weil der Mensch sich gut fühlt, wenn er Gutes tut, und seine Gedanken, Worte und Werke dann im Einklang stehen mit dem, was jeder liebevoll erzogene Mensch ohne psychische oder hirnorganische Schäden intuitiv für gut und richtig hält, nämlich niemandem zu schaden und Hilfsbedürftigen zu helfen. Das Problem ist, dass Menschen ihren Altruismus häufig auf die Mitglieder der eigenen Gruppe – Familie, Sippe, Freunde, Ethnie, Nation, Religionsgemeinschaft – beschränken, anstatt angesichts der grundlegenden Gleichheit aller Menschen und der daraus folgenden Allgemeingültigkeit der Menschenrechte tatsächlich jedem Menschen gegenüber gütig und (im Rahmen ihrer Möglichkeiten) hilfsbereit zu sein. Für seine "Familie" aber sorgt auch der Mafioso. Wollen wir nicht großzügiger als Mafiosi sein?

Fast alle anderen gängigen Aktivitäten zum Erzeugen von Glücksgefühlen – Zerstreuung, Vergnügungen, Erwerb materieller Güter, Erfolgserlebnisse, Konsum von legalen und illegalen Drogen etc. – bewirken dagegen nur relativ kurze Glückszustände, aber keine dauerhafte Zufriedenheit. Deshalb hat man nach dem Abflauen des Rausches oder der Gewöhnung an die Neuerwerbung schon bald wieder das nächste Objekt der Begierde im Blick, von dem man sich erneut den ultimativen Kick verspricht. Tatsächlich aber gibt es nur wenige Aktivitäten, die den meisten Menschen immer wieder neu und uneingeschränkt Freude bereiten, z. B. Essen, Trinken, Spielen, Sex bzw. Zärtlichkeiten, Freunde treffen, sonstige angenehme soziale Kontakte, Schönes / Bewegendes anschauen, anhören oder sogar selbst schaffen, als sinnvoll empfundene, angemessene und befriedigende Arbeit, Hobbys, Reisen und Lesen bzw. generell Neues erkunden, Faulenzen und Tagträumen. Existenzielles Glück und Zufriedenheit aber stiftet wohl nur ein sinnerfülltes, nicht allein der Befriedigung eigener tatsächlicher oder vermeintlicher Bedürfnisse gewidmetes Leben.
 

Politische Konsequenzen

Wer erkannt hat, dass Geld allein nicht glücklich macht und Konkurrenz nicht immer hilfreich bzw. bisweilen sogar kontraproduktiv ist, wird die Höhe und das Wachstum des Bruttosozialprodukts nicht mehr für den Maßstab des gesellschaftlichen Fortschritts sowie Einkommen und Vermögen nicht mehr für den Maßstab des individuellen Glücks halten. Er wird auch nicht mehr alle Menschen zu Unternehmern und Vermarktern ihrer selbst machen wollen, weil nämlich viele Menschen dazu nicht berufen und auch nur mäßig daran interessiert sind.

Ferner wird er der Sicherung eines hinreichenden Lebensstandards für alle Bürger Vorrang einräumen vor der Förderung des Gewinnstrebens Einzelner. Zwar soll jeder so reich werden können, wie er möchte und vermag – aber nicht auf Kosten des Lebensglücks anderer Menschen, auf Kosten der Umwelt und auf Kosten künftiger Generationen. Wenn ein immer größerer Teil der Bevölkerung bzw. überhaupt Menschen in Deutschland auf Suppenküchen und Kleiderkammern angewiesen sind und Kinder hungrig und unzureichend bekleidet zum Unterricht kommen, kann mit dem "Sozialstaat" Deutschland – ob nun vor- oder fürsorgend – etwas nicht stimmen. Hier besteht offensichtlich Handlungsbedarf.

Bezüglich der Erziehung und Wertevermittlung kann der Staat leider vielfach erst in der Schule – also sehr spät – etwas unternehmen: Ob Kinder konsum-, prestige- und ichbezogen aufwachsen oder ob sie lernen, sich zu bescheiden, zu teilen und Rücksicht zu nehmen, hängt zuallererst vom Vorbild der Eltern ab, ihren Worten – und vor allem ihren Taten. Die Schule hat darauf nur einen begrenzten Einfluss. Immerhin könnte der Staat für gute Lehrer und eine Behandlung ethischer und erkenntnistheoretischer Fragen im Unterricht – z. B. im Rahmen eines Pflichtfaches Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Praxis – sorgen sowie dafür, dass Menschen nicht bewusst belogen und ins Unglück gestürzt werden, z. B. durch irreführende oder unwahre Werbeversprechen und allzu leichtfertig, nämlich ohne ausreichende Bonitätsprüfung vergebene Konsumentenkredite.
 

1 Vgl. Sie zur wachsenden Macht der Mafia in Deutschland z. B.: Christof Siemes, Klappe halten. Die Journalistin Petra Reski hat Ärger wegen eines Mafia-Buchs, in: DIE ZEIT, 27.11.2008

2 Vgl. Sie dazu z. B. den Artikel Macht Geld glücklich? Das Wohlstandsparadox von Edgar Dahl in "Spektrum der Wissenschaft. Dossier 6/08. Glück, Scham, Eifersucht. Hintergründe menschlichen Verhaltens", den Artikel "Das Richtige wünschen" von Annette Schäfer im Heft "Psychologie Heute. Strategien der Lebenskunst. Sichere Inseln im Strom der Zeit", Weinheim 2009, sowie das Buch "Glück" von Matthieu Ricard, München 2007 und 2009. Die Thesen von Ricard sind bedenkenswert, auch wenn der Autor die Wirksamkeit des evolutionären Erbes der Menschheit – z. B. Egoismus und Gruppenegoismus, Überlebenswille und Gewaltpotenzial, aber auch Ängstlichkeit und Autoritätsgläubigkeit – meines Erachtens unterschätzt. Als sicheren Weg zum Lebensglück empfiehlt er nämlich vollkommene Selbstlosigkeit, optimistisches Unternehmertum – aber eben nicht zum eigenen Nutzen, sondern zur Verwirklichung guter Werke – sowie – im Bewusstsein, sein Möglichstes versucht zu haben – Gelassenheit auch bei Fehlschlägen.
 

Entstehungsjahr: 2009
 

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