Alternativ: Mobilversion
Homepage
Spiele wie Memory
Ausgangslage
In den USA hat ca. die Hälfte der Wählerinnen und Wähler bei der
Präsidentenwahl 2016 für einen Mann gestimmt, von dem sie
genau wussten, dass er über keinerlei politische Erfahrung und auch kaum
über entsprechendes Wissen verfügt, dass er sich nur schwer
beherrschen kann und seine eigenen Fähigkeiten
maßlos überschätzt, dass er sexistische, rassistische,
antsemitische, antimuslimische und fremdenfeindliche Sprüche klopft,
dass er ein dreister und chronischer Lügner ist, dass er
die Steuern für Reiche und Superreiche
weiter senken will, dass er
Folter und politischen Mord befürwortet und viel vom russischen
Diktator Wladimir Putin hält, dass er kurzum für das Amt des
Präsidenten der USA denkbar ungeeignet ist. Offenbar genügte es
vielen dieser Wählerinnen und Wähler, dass Donald Trump nicht der Wunschkandidat
des politischen Establishments war und dass er versprochen hat, die
illegale Einwanderung und die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins
Ausland zu stoppen sowie die bereits im Land befindlichen
illegalen Einwanderer abzuschieben, um ihm trotz seiner intellektuellen und
charakterlichen Schwächen ihre Stimme zu geben.
Mit ihm konkurrierte eine Kandidatin um das Amt, die zwar
politische Erfahrung vorweisen kann, aber als Außenministerin
unüberlegt und nicht sehr erfolgreich agiert hat
und die vor allem – genau wie ihr Mann, Ex-Präsident Bill
Clinton – bislang deutlich stärker die Interessen der Reichen
und Superreichen der USA als jene der Verlierer der
Globalisierung und Deindustrialisierung oder auch nur der
schrumpfenden und abstiegsgefährdeten Mittelschicht der USA vertreten
hat. Hillary Clintons im Wahlkampf – nicht zuletzt unter dem
Eindruck der Erfolge von Bernie Sanders bei den Vorwahlen –
gegebene Versprechen, eine sozialere, arbeitnehmerfreundlichere
und globalisierungskritischere Politik zu betreiben, als sie in
den USA seit Ronald Reagan betrieben wurde, haben viele Wählerinnen
und Wähler
offenbar nicht als glaubwürdig angesehen. Zudem war Hillary
Clinton keine Hoffnungsträgerin – nicht einmal für die Mehrheit
der weißen Wählerinnen.
In Europa sieht es nicht besser aus: In Polen und in Ungarn sind
Regierungen an der Macht, die die Rechte der Opposition und des
Verfassungsgerichts sowie die Meinungs- und Pressefreiheit
eingeschränkt oder sogar fast ganz beseitigt haben und einen
antidemokratischen, antieuropäischen, illiberalen, nationalistischen und
klerikal-reaktionären Kurs steuern. In weiteren Ländern der EU
muss mit einer Machtübernahme oder zumindest
Regierungsbeteiligung ähnlich gesonnener Personen und Parteien gerechnet werden. An den Grenzen Europas ist
Präsident Recep Tayyip Erdoğan zielstrebig dabei, die Türkei in eine
islamische Diktatur zu verwandeln. Er hat die Meinungs- und
Pressefreiheit sowie die Unabhängigkeit der Justiz bereits
faktisch beseitigt sowie zahlreiche Journalisten und
oppositionelle Politiker verhaften lassen.
In Russland regiert
Wladimir Putin praktisch als Diktator: Zwar gibt es noch Wahlen,
aber in Ermangelung von Meinungs- und Pressefreiheit sowie
nennenswerter noch nicht inhaftierter, geflüchteter oder
ermordeter oppositioneller Politiker sowie angesichts einer
übermächtigen, putintreuen Staatspresse und einer ebensolchen
Justiz kann von fairen und
freien Wahlen keine Rede mehr sein. Sollte aber trotz allem eine
Wahlniederlage drohen, etwa. bei den Wahlen zur Duma, werden die
Ergebnisse zugunsten der Putins Politik unterstützenden Partei
"Einiges Russland" manipuliert. Um seine Popularität in Russland
zu erhöhen und von der schlechten wirtschaftlichen Lage
abzulenken, hat Wladimir Putin zudem die völkerrechtlich zur Ukraine
gehörende Krim annektiert und beträchtliche Teile der Ostukraine
als russischen Vasallenstaat von der Ukraine abgespalten. Man
darf gespannt sein, wann er nach den baltischen Staaten –
Mitgliedstaaten der NATO! – greift.
In Deutschland hat die "Alternative für Deutschland" (AfD) seit
2014 einen steilen Aufstieg erlebt. Die Partei wird im
Wesentlichen wegen ihrer Agitation gegen Ausländer, Migranten,
Flüchtlinge und sonstige als fremd empfundene Personen gewählt,
wobei die Anhänger der Partei offenbar auch vor Gewalt nicht
zurückschrecken. Jedenfalls sind dem Verfasser keine
überzeugenden Distanzierungen der Pateifunktionäre und
-funktionärinnen von Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte
sowie von Drohungen und Gewalttaten gegen Flüchtlinge oder allgemein fremdländisch
aussehende Menschen sowie gegen Bürgerinnen und Bürger, die sich um
Flüchtlinge kümmern, und Politikerinnen und Politiker, die sich für eine
menschenwürdige Unterbringung und Behandlung von Flüchtlingen
einsetzen, bekannt.
Die Europäische Union hat sich in der Flüchtlingsfrage als weitgehend zerstritten und handlungsunfähig und
ignorant gegenüber ihren eigenen humanitären Idealen erwiesen.
Zudem hat die Einführung des Euro aufgrund des Verzichts auf
eine Vereinheitlichung der Wirtschafts-, Finanz. und
Sozialpolitik, die zusammen mit einem EU-weiten
Länderfinanzausgleich die Voraussetzung für eine gemeinsame
Währung hätte sein müssen, die wirtschaftlichen,
gesellschaftlichen und politischen Spannungen in der EU
verschärft statt abgeschwächt. Sinnvoll wäre es, diese
Vereinheitlichung schnellstens nachzuholen und dabei den Bürgerinnen
und Bürgern
überzeugend zu erklären, dass erstens eine Wirtschafts- und
Währungsunion und eine engere politische Zusammenarbeit allen
in der EU nützen, weil nur sie die Staaten der EU vom Spielball
zum gleichberechtigten Partner von Großmächten wie den USA und
China machen, und dass zweitens eine solche Union nicht zum
Nulltarif zu haben ist. Aber wie will man mitten in der Finanz-,
Euro- und Flüchtlingskrise die Bürgerinnen und Bürger noch für Europa
begeistern? Ganz im Gegenteil erhebt überall wieder der
Nationalismus sein blutiges Haupt.
Darüber hinaus wird die EU von vielen Bürgerinnen und Bürgern inzwischen nicht
mehr als Garant für Frieden, Kooperation und Wohlstand
wahrgenommen, sondern im Wesentlichen als Kungelclub von
Wirtschaftspolitikern und Unternehmenslobbyisten, deren Ziel es
ist, den Unternehmen, und zwar insbesondere den
Großunternehmen/Konzernen, durch Angleichung von Normen und Regelungen –
vorzugsweise auf Kosten der Umwelt, der Arbeitnehmer und der
Verbraucher – das Geldverdienen zu erleichtern. Nach dem
Ausscheiden aus dem Amt werden die verantwortlichen
Politiker/EU-Funktionäre für ihren Einsatz im Sinne der
Unternehmen dann – gemäß dieser Sichtweise – in der Regel dadurch
belohnt, dass sie großzügig dotierte Posten bei oder
"Beraterverträge" mit den begünstigten Großunternehmen erhalten.
Solche problematischen Praktiken sind freilich nicht nur in
Brüssel üblich: Das bekannteste Beispiel in Deutschland ist
zweifellos das
Anheuern von Altbundeskanzler Gerhard Schröder bei der Nord
Stream AG, die durch den russischen Staatskonzern Gazprom
dominiert wird. Gerhard Schröder steht übrigens immer noch im
Sold des russischen Diktators Putin und äußert sich entsprechend
zurückhaltend zu dessen Eroberungspolitik. Auch so kann man
Vertrauen in die Demokratie bzw. in die Redlichkeit der
Volksvertreter zerstören.
Wesentliche Gründe der Politikerverdrossenheit
Die Geldgier von Politikerinnen und Politikern, insbesondere von aus dem Amt
geschiedenen Politikerinnen und Politikern, die nun ihren Einsatz und ihre
guten Verbindungen zu noch aktiven Politikerinnen und Politikern versilbern
möchten, ist zwar ärgerlich und dann, wenn dafür vorher
politische Gefälligkeiten erbracht wurden, sogar höchst
problematisch, aber sie
ist wohl kaum der Hauptgrund für die grassierende
Unzufriedenheit, denn Habgier dürfte auch den meisten
Unzufriedenen nicht fremd sein.
Wichtiger dürfte die Vermutung oder Erkenntnis sein, dass die
jeweils regierenden Parteien in den vergangenen Jahrzehnten mit
der Deregulierung der Finanzmärkte und der Forcierung der
Globalisierung, der Einführung des Euro ohne
eine gemeinsame Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik, der
steuerlichen Begünstigung der Wohlhabenden und Reichen und
parallel dazu der Drangsalierung von Arbeitslosen, der
Ausweitung des Niedriglohnsektors, der Ausweitung von Leiharbeit
und befristeten Arbeitsverhältnissen sowie der Vernachlässigung
der ländlichen Regionen massive – auch moralische – Fehler
begangen haben. Einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung
Deutschlands haben die jeweils Regierenden offenbar einfach
abgeschrieben oder schlichtweg vergessen. Dass im Gegensatz dazu
die Flüchtlinge teilweise enthusiastisch willkommen geheißen und
unterstützt wurden, kam und kommt denen, die ohne Aussicht auf
Besserung am Existenzminimum
herumkrebsen oder sogar überschuldet sind (das sind in
Deutschland etliche Millionen Menschen), offenbar wie Hohn vor.
Und es gibt weitere Faktoren, die Anlass zur
Politikerverdrossenheit geben können: So sind viele derjenigen,
die Arbeit haben, einer zunehmenden Arbeitsverdichtung
ausgesetzt, weil – bei gleichbleibendem oder sogar gestiegenem
Arbeitsanfall – entweder Personal abgebaut wurde und wird oder
freie Stellen nicht besetzt werden (können). Hinzu kommt häufig
der Zwang, sich immer wieder in kurzen Abständen in neue,
komplexe Computerprogramme, Arbeitsabläufe und
Dokumentationspflichten einarbeiten zu müssen – ohne dass immer
klar erkennbar ist, dass die Neuerungen wirklich zu einer
Effizienzsteigerung oder einer Verbesserung der Arbeitabläufe
oder der Produkte oder Dienstleistungen führen, sehr wohl aber
fast immer zu mehr Stress bei den Betroffenen.
Dass sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorzeitig in
Rente gehen, obwohl sie dafür hohe finanzielle Abschläge
hinnehmen müssen, und dass die Zahl der Krankheitstage aufgrund
psychischer Überforderung ständig steigt, darf man wohl als
Folge von Arbeitsverdichtung sowie von allzu raschen und nicht
überzeugend kommunizierten Veränderungen werten.
Sowohl die
Poltikerinnen und Politiker als auch die Gewerkschaften haben meines
Erachtens bislang nichts Nennenswertes dagegen unternommen, dass
der Konkurrenzkampf und das Profitstreben der Unternehmen in
zunehmendem Maße auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ausgetragen
werden. Dass man etwas und was man dagegen unternehmen kann,
habe ich u. a. in den Texten
Kritik des reinen
Kapitalismus,
Gedanken zur
Wirtschaftsethik und
Vorschlag für ein
gestaffeltes bedingungsloses Grundeinkommen skizziert.
Folgen
Von der Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien profitierte
in Deutschland zunächst vor allem die Partei Die Linke, da sie
als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien sich engagiert
und ziemlich glaubwürdig um jene kümmerte, die nicht von
Deregulierung und Globalisierung profitierten bzw. als
Arbeitslose, Niedriglöhner, Leiharbeiter oder befristet
Beschäftigte sogar erhebliche Nachteile davon hatten und haben.
Allerdings machen die grundsätzliche Ablehnung des Kapitalismus,
die Ablehnung der NATO und das merkwürdig unkritische Verhältnis
vieler Parteifunktionäre und -funktionärinnen zum russischen Diktator Wladimir Putin
(das allerdings auch in Teilen der SPD anzutreffen ist) die Partei für viele unwählbar, die als
von materieller Not Betroffene oder als Anhänger der Idee
sozialer Gerechtigkeit diesbezüglich Sympathie für Die Linke
empfinden. Für reine Protestwählerinnen und -wähler dürfte dagegen die
Regierungsbeteiligung der Partei in mehreren ostdeutschen
Ländern ein emotionales Hindernis bilden, sie zu wählen. Viele der
Bürgerinnen und Bürger, die sich von den etablierten Parteien CDU,
CSU, FDP, SPD und Die Grünen nicht mehr vertreten fühlen, sind
folglich in den letzten Jahren oder sogar Jahrzehnten gar nicht
mehr wählen gegangen, weil es keine Partei gab, mit deren
wesentlichen Zielen und/oder tatsächlicher praktischer Politik sie
sich identifizieren konnten.
Das hat sich seit 2014 mit dem Erstarken der "Alternative für
Deutschland" (AfD) offensichtlich geändert: Obwohl die Agitation
gegen Flüchtlinge bislang der einzige allgemein bekannte
Programmpunkt der Partei ist und ihre Pläne zur
Wirtschaftspolitik sogar regelrecht neoliberal sind, also alle
Armen eigentlich abschrecken müssten, wird sie von vielen, die
strikt gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen und für die
Abschiebung der bereits nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge
sind, darunter vielen bisherigen Nichtwählern, gewählt, weil
diese ihr zentrales Anliegen von CDU, SPD und den Grünen nicht
oder nicht gut vertreten sehen. Auch von der Partei Die Linke
sind viele Wählerinnen und Wähler zur AfD abgewandert, weil die Partei Die Linke
ihren Einsatz für die Armen und Deklassierten nicht auf Deutsche
beschränkt, sondern sich mit den Flüchtlingen solidarisch
gezeigt hat. Sie bezahlt diese hochherzige Haltung derzeit in
Ostdeutschland bei jeder Wahl mit einem massiven Verlust von
Wählerstimmen.
Was ist zu tun?
Der Aufstieg der AfD in Deutschland sowie des Rechtspopulismus
in Europa und den USA offenbart wesentliche Probleme der
Demokratie und der menschlichen Natur: Kurzsichtiges und
egoistisches oder allenfalls noch die derzeitigen nächsten
Verwandten, aber schon nicht mehr die langfristigen Interessen
der Kinder und Kindeskinder und schon gar nicht die Interessen
persönlich unbekannter Menschen berücksichtigendes, häufig von
Emotionen statt von Vernunft gelenktes Denken und Handeln,
Gewaltbereitschaft, Autoritätsgläubigkeit sowie Fremdenfurcht
und -feindschaft gehören zum evolutionären Erbe des Menschen.
Diese einstmals zum Überleben sinnvollen oder sogar notwendigen,
in einer komplexen, arbeitsteiligen und globalisierten
Weltgesellschaft mit der Macht zur Zerstörung der eigenen
Lebensgrundlagen aber kontraproduktiven Eigenschaften sowie
Denk- und Handlungweisen müssen immer wieder neu durch Erziehung
korrigiert werden, und zwar durch
Erziehung zum Nachdenken und eigenständigen Urteilen auf der
Grundlage hinreichender und zuverlässiger Informationen, zum
langfristigen, überlegten, über die eigene Lebenszeit hinauszielenden Planen und Handeln, zum Zuhören und zur
Kompromissbereitschaft, zur Friedfertigkeit, zu einem
angemessenen Selbstbewusstsein auf der Grundlage einer
hinreichenden Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen, zum
Bewusstsein der eigenen Vorurteile und eventuell Ängste
gegenüber Fremden und fremd Aussehenden sowie zu einem
kooperativen Verhalten nicht nur hinsichtlich der eigenen
Familie oder Gruppe, sondern auch hinsichtlich zunächst Fremder.
Das ist natürlich ein langwieriges Unterfangen, das den Aufstieg
der rücksichtslosen Vereinfacher, der Sündenbockjäger und der
selbstbewusst das Blaue vom Himmel versprechenden "Aufräumer"
und "starken Männer" kurzfristig nicht stoppen kann. Auch weist
der Aufstieg der Populisten auf reale Probleme hin, die gelöst
werden müssen, wenn die Legitimation der Demokratie erhalten
bleiben soll. Wenn demokratische Politikerinnen und Politiker bei der
Befriedigung der grundlegenden materiellen und sozialen Bedürfnisse
sowie der
grundlegenden Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung versagen
und dieses Versagen dann von den Bürgerinnen und Bürgern fatalerweise der
Staatsform selbst angelastet wird, ist es nicht verwunderlich,
dass sie irgendwann einem Diktator zujubeln, der es – zumindest anfangs –
besser macht oder besser zu machen scheint. Genau das ist in
Russland und anderswo geschehen.
Was also sollten demokratisch
gesonnene Politikerinnen und Politiker tun, um Wählerinnen und
Wähler von der AfD
zurückzugewinnen?
Zunächst einmal sollten sie öffentlich und ehrlich anerkennen,
dass es Probleme gibt, und die Probleme benennen. Die Probleme
zu verleugnen oder zu verniedlichen vergrößert
verständlicherweise den Frust und die Wut derer, die unter den
Folgen zu leiden haben. Wer z. B. Sozialleistungen kürzt oder
Gesetze mit der Absicht verschärft, Sozialleistungen
einzusparen, aber gleichzeitg Milliarden für die – zweifellos
notwendige –
Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen
ausgibt, muss diese Ausgaben gegenüber denen, die diese
Milliarden nun nicht bekommen, obwohl es auch ihnen nicht gut
geht, rechtfertigen. Wer Flüchtlinge ins Land holt oder kommen
lässt und damit Teile des Arbeitsmarktes unter Druck setzt, muss
mit jenen sprechen und sich um jene kümmern, die Angst haben, dass die Flüchtlinge ihnen die Arbeitsplätze
wegnehmen oder das Lohnniveau drücken, und er sollte das nicht
von oben herab tun. Nicht bestreiten sollten Politikerinnen und
Politiker
schließlich, dass es kulturelle und religiöse Konflikte gibt,
und sie sollten klarmachen, dass man von Menschen, die hier
Schutz oder auch "nur" ein besseres Leben suchen, erwarten darf,
dass sie sich an die hiesigen Gesetze halten und sich darüber
hinaus wenigstens insoweit anpassen, dass sie z. B. nicht die Nachtruhe
stören, Gemeinschaftsräume sauber halten u. Ä. Psychologisch
falsch ist es sicherlich ferner, alle jene, die nun nichts von
den Milliarden bekommen und deshalb wütend sind, als Neidhammel
o. Ä. zu beschimpfen oder Solidarität oder Mitleid mit den
Flüchtlingen einzufordern, während man selbst als Abgeordnete(r)
oder Minister(in) zu den Besser- oder Bestverdienern gehört.
Sodann sollte man dafür sorgen, dass es denen, denen es derzeit
– und meistens bereits seit Jahren – nicht gut geht, wieder
besser geht, und gegebenenfalls auch eigene Fehler eingestehen,
die dazu geführt haben, dass eine kleine Minderheit in
Deutschland in Geld schwimmt, dass es einer größeren Minderheit
sehr gut geht, dass die Mehrheit der Bevölkerung von ihrem
Einkommen teils mehr, teils weniger gut leben kann, aber über
keinerlei finanzielle Rücklagen verfügt, dass etliche Millionen
Deutsche, darunter viele mit Migrationshintergrund, trotz Arbeit
als Niedriglöhner oder kleine Selbständige schlichtweg arm sind
und nur mit großer Mühe über die Runden kommen und dass außerdem
deren Kinder kaum Chancen haben, einmal ein besseres Leben zu
führen. Wichtiger als das Eingeständnis von Fehlern ist freilich
die Korrektur der Fehler: Dass in Deutschland die Wertschöpfung
durch Automatisierung, Arbeiten 4.0 etc. immer mehr von der
Arbeit zum Kapital verlagert wird, ist meines Erachtens im
Prinzip nichts Schlechtes, aber dann müssen Politikerinnen und
Politiker,
die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen, auch dafür sorgen,
dass die Gewinne nicht bei den relativ wenigen Kapitalbesitzern
verbleiben, sondern dass diejenigen, deren Arbeit durch
Automatisierung und Arbeiten 4.0 reduziert wird, einen
hinreichenden finanziellen Ausgleich erhalten und nicht in ihrer
Gesamtheit immer ärmer werden.
Hilfreich wäre es es zudem, wenn die seriösen demokratischen
Parteien Führungspersönlichkeiten präsentierten, die es an
Charisma mit den Führungspersönlichkeiten populistischer
Parteien mindestens aufnehmen und deren Lügen entlarven sowie
die (menschenfreundlichen) Werte und Ziele der eigenen Partei in
Wort und Tat überzeugend vermitteln können:
Hoffnungsträger werden im Allgemeinen eher gewählt als Verwalter
des Status quo. Und dass viele Menschen – aller Erziehung zur
Selbständigkeit zum Trotz – Anführern vertrauen und Parteien mit
einem überzeugenden und authentisch wirkenden Spitzenkandidaten
oder einer entsprechenden Kandidatin mehr Chancen bei Wählerinnen
und Wählern
haben als ohne eine(n) solche(n), lehrt die Geschichte.
Ferner sollte das Spektrum der demokratischen Parteien so breit
gefächert sein, dass jede(r) demokratisch gesonnene Wähler(in) auch tatsächlich eine
Partei findet, mit der sie/er sich zumindest im Wesentlichen
identifizieren kann. In Deutschland würde die Ausdehnung der CSU
auf Bundesebene und der CDU nach Bayern dieses Spektrum
sicherlich verbreitern.
Wenn von Wahlkampf, Information und Desinformation die Rede ist,
kann die Rolle der Medien, "sozialen" Netzwerke etc. nicht
unerwähnt bleiben: Facebook hat Donald Trump faktisch geholfen,
die Wahl zu gewinnen, indem es seine Lügen, Beleidigungen,
Hasskommentare, Aufrufe zur Gewalt etc. unhinterfragt und
unkommentiert verbreitet hat, obwohl das Unternehmen in anderen
Fällen durchaus nicht vor
Zensur zurückschreckt, und auch viele Fernsehsender in den
USA haben zu Trumps Erfolg beigetragen, indem sie ihm wesentlich
mehr Raum zur kostenlosen Selbstdarstellung geboten haben als
allen anderen Kandidaten. Sie haben das getan, weil Emotionen
und Provokationen sich besser verkaufen als sachliche politische
Argumente und Darlegungen, und sie haben damit ihre
journalistische Pflicht zur korrekten und angemessenen
Information der Bevölkerung massiv verletzt.
Auch auf seinen deutschsprachigen Seiten lässt Facebook
Hasskommentare, Aufrufe zur Gewalt etc. zu und entfernt sie
häufig selbst dann nicht, wenn das Unternehmen darauf
hingewiesen wird. Facebook ist zudem dafür verantwortlich, dass
seine Nutzerinnen und Nutzer nicht neutral bzw. vielfältig informiert werden, sondern
bevorzugt Nachrichten zu sehen bekommen, die sie in ihrer
jeweiligen politischen Einstellung bestärken. Es ist meines
Erachtens an der Zeit, Facebook bzw. die verantwortlichen
Manager zumindest für die Beihilfe zu Straftaten straf- und
zivilrechtlich zur Verantwortung zu ziehen (vgl. zu Facebook
auch Die
Interessen der Konzerne sind nicht die Interessen der
Bevölkerung), und dringend erforderlich, dass sich die
demokratischen Parteien sehr intensiv mit den Inhalten auf und
den Wirkungsmechanismen von Facebook und anderen "sozialen"
Medien beschäftigen.
Entstehungszeit:
November 2016
nach oben
|