Eigentum verpflichtet – wozu?

 

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Einige grundsätzliche Überlegungen

Der Besitz von Eigentum scheint zu den Grundbedürfnissen der meisten Menschen zu zählen und der Erwerb und die Mehrung von Eigentum sind für viele Menschen offenbar wichtige Ziele, die sie oftmals unter Einsatz von viel Zeit und Energie anstreben. Sofern sie dies tun, indem sie legale Produkte oder Dienstleistungen zu angemessenen Preisen anbieten, mehren sie dadurch in der Regel nicht nur ihren eigenen, sondern auch den allgemeinen Wohlstand. Damit sie, sofern sie Arbeitnehmer beschäftigen, diese nicht übermäßig ausbeuten – einen Mehrwert möchte natürlich jedes Privatunternehmen mit seinen Beschäftigten erzielen, und das ist wohl auch legitim –, gibt es Gewerkschaften sowie das Arbeits- und Sozialrecht. Die gesetzliche Unterstützung ist insbesondere für Arbeitnehmer in Branchen und Betrieben wichtig, in denen es keine starken oder sogar gar keine Gewerkschaften und keine Tarifbindung gibt, also vor allem in Kleinbetrieben und Unternehmen des Dienstleistungssektors.

Das System hat auch Schattenseiten: Wenn Arbeit und Gewinn nicht ständig umverteilt werden, tendiert das System dazu, dass infolge von Rationalisierung, Automatisierung und Digitalisierung immer weniger Arbeit benötigt und immer mehr Gewinn durch Maschinen und Software generiert wird und dann vorwiegend in die Taschen der Unternehmer bzw. bei Aktiengesellschaften der Manager und Aktionäre fließt, während der Wohlstand der Arbeitnehmer zumindest relativ, nicht selten aber auch absolut sinkt.

Hinzu kommt, dass mit der weltweiten Öffnung der Märkte ab ca. 1980 in den damaligen Ländern der zweiten und dritten Welt ein riesiges Heer an billigen Arbeitskräften zur Verfügung stand. Das führte dazu, dass viele Industriezweige wie die Textilindustrie, die Eisen- und Stahlindustrie, die Automobilindustrie oder die Produktion von Computern und vielen weiteren technischen Geräten ganz oder teilweise von Europa und den USA vor allem nach Asien verlagert wurden und die entsprechenden Beschäftigten in Europa und den USA arbeitslos wurden und häufig nur noch deutlich schlechter bezahlte Arbeitsplätze fanden – wenn überhaupt.

Außerdem rächt sich nun in zunehmendem Maße, dass Produktion, Verteilung und Konsum von Gütern seit Beginn der Industrialisierung weitgehend ohne Berücksichtigung der Folgen für die Umwelt und für künftige Generationen vorgenommen wurden. Von den Kohle und Erdöl fördernden und verarbeitenden Industrien wurden sogar die unternehmensintern frühzeitig richtig prognostizierten negativen Folgen bezüglich der Klimakatastrophe viele Jahrzehnte lang aus reinem Profitinteresse gegenüber der Öffentlichkeit wider eigenes besseres Wissenr gänzlich oder bezüglich der entscheidenden Rolle der Verbrennung von Kohle und Erdöl durch den Menschen in Zweifel gezogen. Die Folgen sind Klimakatastrophe, Umweltkatastrophe und Ressourcenkatastrophe. Um sie vielleicht noch halbwegs in den Griff zu bekommen, sind neben einer Reduzierung der Weltbevölkerung durch strikte Geburtenkontrolle zumindest in Afrika und Asien u. a. materieller Verzicht insbesondere auch in den USA und in Europa notwendig (vgl. Maßnahmen zur Treibhausgasreduzierung). Die Hoffnung oder sogar Behauptung von Politiker(inne)n, dass technische Innovationen in allernächster Zeit alle Einschränkungen überflüssig machen werden, ist meines Erachtens Wunschdenken – oder zynisch. Und bei Einschränkungen stellt sich natürlich die Frage: Was ist unentbehrlich, was überflüssig? Wer muss auf was verzichten?

Definition des Notwendigen und des Überflüssigen und der sich aus dem Überfluss ergebenden Pflichten hinsichtlich einiger wichtiger Kostenpunkte

Mobilität

Bei der Definition des Unentbehrlichen muss man nicht bei null anfangen: Es gibt den Warenkorb für Sozialhilfe- bzw. Hartz-IV-Empfänger und auch der Autor dieses Textes hat sich schon in verschiedenen Texten, z. B. in Was braucht der Mensch? oder Was ist gerecht?, dazu Gedanken gemacht. Bei aller berechtigten Kritik am Warenkorb geht aus ihm doch immerhin hervor, was der Mensch nach Ansicht der meisten Politiker(innen) zweifellos nicht benötigt, nämlich z. B. ein eigenes Auto. Selbst Personen, die auf dem Lande leben, brauchen laut dem Warenkorb kein eigenes Auto, denn mit den für die Mobilität vorgesehenen 20 oder 30 Euro im Monat kann nicht der Unterhalt oder gar Kauf eines Pkw finanziert werden. Da ein Pkw also nicht notwendig ist, sollten sein Erwerb und Unterhalt und insbesondere der Kraftstoffverbrauch hoch besteuert werden, um einerseits die Bürger(innen) zu veranlassen, weniger zu fahren und sparsamere bzw. am besten klimaneutrale Autos zu kaufen und andererseits Einnahmen z. B. für den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs zu generieren. Die Zahlung solcher Steuern und Abgaben wäre eine Verpflichtung, die sich aus dem Besitz und Gebrauch eines Pkw als eines nicht zwingend notwendigen und für Mitmenschen, Klima und Umwelt in hohem Maße schädlichen Eigentums ergibt. Dass Flugreisen und weite Bahnfahrten laut dem Warenkorb nicht notwendig sind, dürfte ebenfalls klar sein, denn wie weit kommt man per Flugzeug oder Bahn mit 20 oder 30 Euro – sofern die Preise kostendeckend sind?

Die übrigen Punkte des Warenkorbs, z. B. ca. 2 Euro monatlich für Bildungsausgaben, ca. 8 Euro monatlich für Beherbergungs- und Gaststättenleistungen oder ca. 30 Euro monatlich für Bekleidung und Schuhe, möchte ich nicht alle im Detail hinterfragen. Klar dürfte jedenfalls sein, dass bei einer solchen Beschränkung auf das Wesentliche seitens aller Bürger(innen) die Reduzierung des CO2-Ausstoßes für die Bundesrepublik Deutschland auch ohne – natürlich gleichwohl zu begrüßende – wunderbare technische Innovationen kein Problem mehr darstellen dürfte. Nur auf zwei Punkte sei noch eingegangen, nämlich auf die ca. 130 Euro monatlich für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sowie auf die Mietkosten.

Nahrung

130 Euro pro Monat fürs Essen und Trinken entsprechen ungefähr 4,33 Euro pro Tag. Davon kann man sich ausreichend ernähren, wenn man selbst kochen kann (vgl. z. B. https://www.berlin.de/special/gesundheit-und-beauty/rezepte/5435-216-hartzivkochbuchgutkochenmitdemregelsatz.html und https://kalender-365.de/kochrezepte/billigerezepte.php). Teures Fleisch kann man sich davon allerdings nicht leisten und relativ preiswertes Fleisch wie Hackfleisch, Rinderleber oder Hühnerfleisch auch nicht jeden Tag. Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger müssen quasi von Staats wegen immer wieder einmal einen Veggieday einlegen. Es ist also nach Ansicht der meisten Politiker(innen) – nicht nur der Partei Bündnis 90/Die Grünen – nicht notwendig, jeden Tag Fleisch zu essen, – und es ist übrigens auch nicht gesundheitsfördernd.

Da die Massentierhaltung und die schiere Menge der in Deutschland bei der Tiermästung anfallenden Exkremente (Gülle) zudem in hohem Maße klima- und umweltschädlich und die Haltungsbedingungen meistens tierquälerisch sind, sollten die Politiker(innen) endlich die notwendigen Konsequenzen ziehen und erstens den Export von Tieren, Fleisch und Fleischwaren aus Deutschland generell verbieten, damit in Deutschland möglichst nur noch soviel produziert wird, wie tatsächlich benötigt wird, zweitens den Import von Tieren, Fleisch und Fleischwaren aus anderen Staaten untersagen, sofern nicht unzweifelhaft nachgewiesen wird, dass die Tiere dort artgerecht gehalten und schmerzfrei getötet werden, und drittens dem Tierschutz in deutschen Ställen Geltung verschaffen. Eine konsequente Tier-, Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik hätte natürlich auch für den Konsumenten ihren Preis und ließe deshalb – was sinnvoll wäre – den Fleischkonsum sinken, aber eine anständige Behandlung und schmerzfreie Tötung von Nutztieren sollte in Deutschland eigentlich selbstverständlich sein.

Ein mehr als gerade noch ausreichendes Einkommen und Vermögen verpflichtet also meines Erachtens dazu, als Verbraucher(in) bewusst ethisch – also z. B. möglichst mit Rücksicht auf Klima-, Umwelt-, Arten- und Tierschutz sowie auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in anderen Ländern, sofern es sich um ganz oder zum Teil importierte Produkte handelt – zu konsumieren und sich als Bürger(in) dafür einzusetzen – zumindest durch die Wahl entsprechend motivierter Parteien –, dass der Gesetzgeber dafür sorgt, dass man sich in Zukunft nicht mehr selbst darum kümmern muss, dass der Einkauf ethisch korrekt ist, weil ausschließlich ethisch korrekt hergestellte Produkte angeboten werden. Wie das gelingen könnte, habe ich im Text Paradigmenwechsel skizziert. Damit auch Sozialhilfe- bzw. Hartz-IV-Empfänger sich die ethisch korrekt hergestellten Produkte in angemessenem Umfang leisten können und nicht jeden Tag Veggieday haben, müssten die Regelsätze entsprechend erhöht werden. Grundsätzliche Überlegungen zum Halten und Töten von Tieren enthält der Text Tierhaltung und Tierschutz – Darf man Tiere nutzen und töten?.

Wohnung

Die Wohnkosten – bei Gering- und Normalverdienern zumindest in größeren Städten in der Regel die Miete und die Mietnebenkosten – gehören meistens zu den größten Ausgaben eines Haushalts. Durch den Zuzug von immer mehr Personen in die größeren Städte sind dort Engpässe entstanden, die von etlichen Vermietern inzwischen dazu genutzt werden, bei Neuvermietungen – und zunehmend auch bei bestehenden Mietverhältnissen – die Miete kräftig zu erhöhen, ohne dass diese Erhöhung durch Verbesserungen der Wohnung gerechtfertigt wäre. Wenn langjährige Mieter die Mieterhöhung nicht akzeptieren, versuchen manche Vermieter, sie mittels Eigenbedarfskündigungen loszuwerden, wobei der Eigenbedarf häufig nur vorgetäuscht ist.

Meines Erachtens verpflichtet das Eigentum an einer Mietwohnung bzw. an mehreren Mietwohnungen oder – bei Wohnungsunternehmen – an einer Vielzahl von Mietshäusern/Wohnungsanlagen in ethischer Hinsicht und im Sinne des Grundgesetzes dazu, auch die berechtigten Interessen der Mieter an einem dauerhaften Mietverhältnis und an Mieten, deren Entwicklung an jene der Löhne und Renten angepasst ist und die jedenfalls nicht plötzlich sprunghaft steigen, nur weil der Wohnungsmarkt es gerade hergibt, zu berücksichtigen. Eigenbedarfskündigungen sollten meines Erachtens nur möglich sein, wenn die eigenen Eltern oder Kinder die Wohnung benötigen – und wenn diese dann nach kurzer Zeit wieder ausziehen, also der Eigenbedarf offenbar nur vorgetäuscht war, sollte das für die Vermieterin / den Vermieter nicht nur zivilrechtliche, sondern auch fühlbare strafrechtliche Konsequenzen haben.

Bei Neuvermietungen kann man meiner Meinung nach dagegen nicht erwarten, dass eine Vermieterin / ein Vermieter aus reinem Altruismus auf mögliche Mieteinnahmen verzichtet. Es ist vielmehr Aufgabe der Politiker(innen), dafür zu sorgen, dass die Grundbedürfnisse der Menschen erfüllt werden und genügend Wohnungen zur Verfügung stehen, so dass die Mieten auch bei Neuvermietungen bezahlbar bleiben. Was dafür getan werden kann, habe ich in dem Text Marktmacht und Staatsmacht skizziert.

Andererseits sollten sich meines Erachtens auch Mieter und Häuslebauer fragen, wieviel Wohnraum sie wirklich benötigen: Jeder zusätzlich verbaute Quadratmeter erhöht nicht nur die Kosten, sondern schadet durch Flächenverbrauch, Ressourcenverbrauch und Energieverbrauch der Umwelt und dem Klima. Für Hartz-IV-Empfänger werden 40 bis 50 Quadratmeter Wohnfläche für eine Einzelperson, ca. 60 Quadratmeter für zwei Personen und jeweils zusätzlich 15 Quadratmeter für jede weitere Person vom Staat als angemessen erachtet. Der Autor kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man damit hinkommt, hält allerdings auch 60 Quadratmeter für eine Einzelperson und 90 Quadratmeter für zwei Personen für vertretbar – und ausreichend.

Eigentum verpflichtet – Kapitalbesitzer und Unternehmer / Manager / Großaktionäre

Kapitalbesitzer

Neben jenen 50 % der Bevölkerung Deutschlands, die über keine nennenswerten Ersparnisse verfügen (weniger als 15.000 Euro) oder sogar verschuldet sind, gibt es auch eine Mittelschicht, deren Mitglieder jeweils über ein Vermögen von mehreren hunderttausend Euro verfügen, über deren Anlage sich die Besitzer(innen) meines Erachtens nicht nur im Hinblick auf die Vermögensmehrung oder den Vermögenserhalt, sondern auch im Hinblick auf die ethischen Aspekte der Geldanlage Gedanken machen sollten. Soweit das Geld nicht in selbst genutzten oder vermieteten Immobilien steckt, sollten sich Kapitalbesitzer meines Erachtens verpflichtet fühlen, ihr Geld nur in nachhaltige Fonds bzw. entsprechende Unternehmen zu investieren – was allerdings nicht gerade leicht ist, da die Nachhaltigkeitskriterien bei jedem Fond andere sind.

Unternehmer / Manager / Großaktionäre

Unternehmer / Manager / Großaktionäre, also Personen, die das operative Geschäft und die strategische Ausrichtung von Unternehmen als deren Eigentümer oder stellvertretend für die Eigentümer bestimmen, sind verpflichtet, sich an die Gesetze zu halten – offensichtlich keine Selbstverständlichkeit, wie das Verhalten der Finanzinstitute, der Automobilindustrie, der Agrarindustrie oder der Pharmaindustrie – z. B. die absehbar über eine Million Morde der Pharmafamilie Sackler mittels Oxycontin – oder von Internetkonzernen wie Google und Facebook, die immer wieder durch gravierende Gesetzesbrüche auffallen, erkennen lässt.

Darüber hinaus sollten – und das widerspricht der in den Wirtschaftswissenschaften immer noch vorherrschenden Ideologie – Unternehmen meines Erachtens verpflichtet werden, nicht nur die eigenen Profitinteressen, sondern stets auch das Gemeinwohl zu berücksichtigen, und zwar in einem umfassenden Sinne, wie ich ihn in Paradigmenwechsel skizziert habe. Freilich ist das schwierig, solange nicht auch die Konkurrenzunternehmen, sofern solche existieren, freiwillig oder gezwungenermaßen das Gemeinwohl berücksichtigen. Tatsache ist aber, dass die von Marktradikalen gern zitierte unsichtbare Hand des Marktes weder zuverlässig dafür sorgt, dass alle Menschen zu akzeptablen Preisen mit dem Notwendigen versorgt werden, wie z. B. die derzeitige Wohnungsnot in deutschen Städten zeigt, noch gar dafür, dass die zum Überleben der Menschheit notwendigen Voraussetzungen bezüglich Klima, Umwelt und Ressourcen erhalten bleiben. Es muss also auch im Bereich der Wirtschaft endlich vorgesorgt und nicht einfach nur drauflosgewirtschaftet und später dann –  und zwar erfahrungsgemäß vorzugsweise vom Staat bzw. vom Steuerzahler – der Schaden beseitigt werden, denn zur Beseitigung der Schäden dürfte es bald häufig zu spät sein – und ist es hinsichtlich der menschengemachten Erderwärmung und des Artensterbens schon jetzt zu spät. Lediglich die schlimmsten diesbezüglichen Folgen lassen sich bei sofortigem Handeln vielleicht noch verhindern.

Wie die Eigentumsverhältnisse sind, ist übrigens nicht zwangsläufig ausschlaggebend für den Grad der Gemeinwohlorientierung eines Unternehmens: Ein Unternehmen in Staatsbesitz oder im Besitz der Beschäftigten oder ein Genossenschaftsunternehmen oder ein gemeinnütziges Unternehmen wirtschaften nicht automatisch sozialer, umweltschonender, nachhaltiger oder erfolgreicher als ein Unternehmen in Familienbesitz oder eine Aktiengesellschaft. Allerdings ist gerade bei einer Aktiengesellschaft mit renditegierigen Investmentgesellschaften als Aktionären die Gefahr groß, dass die rasche Erzielung maximalen Gewinns das Denken der Manager dominiert und jede Gemeinwohlorientierung fehlt. Was man dagegen tun könnte, habe ich bereits in Paradigmenwechsel skizziert: Der Gesetzgeber müsste zum einen einen verbindlichen Katalog von gemeinwohlorientierten Unternehmensregeln und -zielen neben der Gewinnerzielung festlegen und zum anderen eine unternehmensinterne, mit umfassenden Beteiligungs- und Zugriffsrechten ausgestattete Instanz schaffen, die die Einhaltung der Regeln und die Fokussierung auf die gemeinwohlorientierten Ziele ständig einfordert und überwacht sowie die Ergebnisse protokolliert und veröffentlicht, quasi als institutionalisiertes gesellschaftliches Gewissen des Unternehmens und als ethisches Controlling.

Bei Aktiengesellschaften im Streubesitz wiederum besteht die Gefahr, dass Vorstand und Aufsichtsrat – der in der Regel ebenfalls großenteils aus Managern oder ehemaligen Managern besteht – schalten und walten, wie sie wollen, das Unternehmen als Selbstbedienungsladen zur Selbstbereicherung verstehen und ebenfalls auf Gemeinwohlorientierung verzichten, soweit sie können. Um das zu verhindern, könnte man z. B. das Wirtschaftsministerium ermächtigen, treuhänderisch die Interessen der Kleinanleger zu vertreten, oder man könnte einen Staatsfond einrichten, der sich an Unternehmen in Streubesitz beteiligt und dann Druck auf Vorstand und Aufsichtsrat ausüben kann, sofern er genug Aktien des jeweiligen Unternehmens besitzt. Solange freilich selbst die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat Gehaltsexzesse und unternehmerische Fehlentscheidungen ermöglichen und mittragen, kann man meines Erachtens den Managern kaum vorwerfen, dass sie ihre Position ausnutzen.

Die Besitzer(innen) von Familienunternehmen dagegen – und dazu zählen faktisch auch Aktiengesellschaften, bei denen eine Familie aufgrund eines großen Aktienpaketes den beherrschenden Einfluss besitzt – planen in der Regel langfristiger als Manager und sind stärker am langfristigen Erfolg und Erhalt des Unternehmens, weniger an kurzfristigen Gewinnentnahmen interessiert. Sofern sie in einer Region verwurzelt sind und Wert auf ihr öffentliches Ansehen legen, sind sie häufig auch bereit, sich für die Region zu engagieren und sich gemeinwohlorientierter zu geben als auf den Quartalsgewinn fixierte Manager. Ein ständiges ethisches Controlling im oben beschriebenen Sinne ersetzt das allerdings nicht. Zudem haben Familienunternehmen nicht selten ihre ganz eigenen Probleme, z. B. fehlende oder unfähige oder zerstrittene Erben oder auch Patriarchen, die sich nicht aufs Altenteil zurückziehen wollen.

Ein angebliches Problem, das vom Verband der Familienunternehmen jahrelang immer wieder gerne öffentlich thematisiert wurde, existiert freilich überhaupt nicht, nämlich jenes, dass die Erbschaftsteuern Familienunternehmen bei der Übergabe an die Nachkommen ruinieren könnten. Die Erbschaftsteuern für Unternehmenserben waren in Deutschland schon immer so niedrig, dass jeder halbwegs geschickte Unternehmer sie mühelos erwirtschaften konnte, und gemäß dem geltenden Erbschaftsteuergesetz vom 4.11.2016 braucht ein halbwegs geschickt agierender Unternehmenserbe sogar überhaupt keine Erbschaftsteuer auf das Betriebsvermögen zu zahlen. Unternehmenserben werden damit gegenüber Erben z. B. von Geldvermögen, aber auch gegenüber Unternehmensgründern, die ihr Unternehmen bekanntlich nicht geschenkt bekommen, sondern – wenn auch nicht unbedingt hart erarbeiten, so doch jedenfalls – selbst erwirtschaften müssen, massiv bevorzugt. Um des Unternehmenserhalts notwendig ist diese Bevorzugung nicht: Der Staat könnte das für die Erbschaftsteuer aufzubringende Geld im Unternehmen belassen und jedes Jahr seinen Anteil am Unternehmensgewinn kassieren. Bei Aktienpaketen oder Mietshäusern, die vererbt werden, könnte er übrigens entsprechend verfahren. Die Aktien oder Unternehmensanteile könnte er in einem "Bürgerfonds" bündeln.

Eigentum und Einkommen als Stabilisatoren der Demokratie, aber: Wohlstand ist nicht alles

Eigentum und ein hinreichendes Einkommen halten zumindest die große Mehrheit der Bürger(innen) davon ab, Parteien zu wählen, die die Demokratie aushöhlen oder abschaffen wollen. Wenn es jemandem wirtschaftlich gut geht, ist er an Revolutionen gewöhnlich nicht interessiert – es sei denn, eine Partei oder ein Demagoge schaffen es, ihm einzureden, dass es ihm schlecht geht oder bald schlecht gehen wird oder aber viel besser gehen könnte, wenn da nicht Personengruppen – Farbige, Flüchtlinge, generell Ausländer oder auch wahlweise Sozialisten, Kapitalisten, Schwule, Muslime, Atheisten oder sonstige Andersartige oder -gläubige – wären, die ihn übervorteilen und ausbeuten oder Verbrechen begehen oder ihn gar – wie Islamisten und sonstige Terroristen – töten möchten.

Eine Regierung muss also erstens für innere und äußere Sicherheit und zweitens dafür sorgen, dass es den meisten Menschen wirtschaftlich und mental gut geht. Da die momentane wirtschaftliche Situation der meisten Menschen in Deutschland – Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, Geringverdiener, die Kinder derselben und die Mehrheit der Rentnerinnen ausgenommen – ganz komfortabel ist, muss es ein mentales Problem geben, das dazu führt, dass Menschen nicht CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen oder Die Linke wählen. Und es gibt dieses Problem: Status- und Zukunftsangst.

Wer z. B. Angst vor Altersarmut oder Arbeitsplatzverlust hat oder wer unzufrieden mit seiner Lebenssituation ist, keine Aussicht auf Besserung erkennen kann und sich selbst für nicht hinreichend geachtet hält, während gleichzeitig andere Menschen, z. B. Flüchtlinge, seiner Meinung nach ungerechtfertigterweise beschenkt und hofiert werden, wählt derzeit die AfD. Wer das ändern möchte, muss den Menschen eine sichere Lebensperspektive bieten – wie es sie in der DDR bei aller Ärmlichkeit der Verhältnisse bis zum wirtschaftlichen Kollaps des Systems zu geben schien. Er muss also – ganz konkret – für eine ausreichende Grundrente, stabile bzw. nur langsam steigende Mieten und dauerhafte, gut bezahlte Arbeitsplätze sorgen. Letztere gibt es gerade in den ostdeutschen Bundesländern kaum. Die Folge: Wer seine Ausbildung oder sein Studium im Osten mit Erfolg absolviert hat, geht anschließend in den Westen, weil er dort mehr verdienen kann. Auch der absolute Vorrang der Wünsche der Wirtschaft vor den Bedürfnissen der Menschen, den wir seit mindestens zwanzig Jahren in Deutschland erleben, muss endlich ein Ende haben: Der Staat sollte nicht nur der Erfüllungsgehilfe der Wirtschaft sein.

Bei Menschen, bei denen sich die rechtsradikale Gesinnung bereits verfestigt hat und die auch eine Verbesserung der Lebensverhältnisse nicht mehr zurückholen kann, und bei Unternehmen, die rechtsradikale Aktivitäten unterstützen, also z. B. Facebook, Twitter, YouTube und Google, sollte der Staat Härte zeigen und sowohl von sich aus alle Drohungen, Beleidigungen, Lügen, Hassbotschaften sowie Aufrufe zu Gewalt bis hin zum Mord konsequent verfolgen und spürbar ahnden, als auch die Unternehmen, die diese Inhalte verbreiten, zivil- und strafrechtlich spürbar zur Verantwortung ziehen. Ein Bußgeld von zwei Millionen Euro z. B., das Facebook für einen offensichtlich verlogenen NetzDG-Bericht laut Bundesamt für Justiz zahlen soll, ist meines Erachtens ein schlechter Witz: Angesichts von Milliardengewinnen in jedem einzelnen Quartal wären zwei Milliarden Euro als Strafe wohl angemessener.
 

Entstehungszeit: Juli 2019
 

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