Alternativ:
Mobilversion
Homepage
Spiele wie Memory
Ausgangslage
In Demokratien ist viel von – individueller, politischer,
unternehmerischer, finanzieller – Freiheit die Rede, und in der
Tat ist die Freiheit ein hohes Gut, ohne das unser Leben sehr
eingeschränkt und im Extremfall kaum noch lebenswert wäre. Die
Freiheit zu schützen und zu erhalten muss deshalb das Ziel jedes
nicht selbst zum eigenen Vorteil nach Macht über andere
strebenden Menschen sein. In der Demokratie ist das durch die
Wahl von Politiker*innen und Parteien möglich, die sich bislang
als freiheitsliebend erwiesen haben und von denen man nach ihren
Worten und Taten erwarten darf, dass sie auch in Zukunft die
Freiheit gegen linke und rechte Extremisten, Islamisten,
sonstige religiöse Eiferer, die ihre Religion und
Moralvorstellungen anderen Menschen aufzwingen wollen, generell
Freund*innen der Diktatur sowie gegen populistische Lügner*innen, die mit Lügen das
Vertrauen in die Demokratie und ihre Funktionsträger*innen zerstören, verteidigen.
Dabei ist zu beachten, dass
die Wahrnehmung individueller Freiheitsrechte in unserer
Gesellschaft fast immer die finanzielle Freiheit zur
Voraussetzung hat: Wer so wenig Geld hat, dass er fast nur in
seiner Wohnung hocken und fernsehen oder surfen kann, ist nicht
wirklich frei. Außerhalb der eigenen Wohnung kostet in
Deutschland nahezu jede Teilhabe am sozialen Leben – Kultur,
Sport, öffentliche Verkehrsmittel, Geselligkeit – Geld, und zwar
für die Armen zumeist zu viel Geld. Eine Alternative zur fast
vollständigen Kommerzialisierung auch des Kultur-, Sport- und
Freizeitbereiches wären öffentliche und kostenlose, vom Staat –
also in Demokratien der Gemeinschaft der Bürger*innen –
finanzierte Sport- und Kulturstätten, Verkehrsmittel und
Versammlungsräume ohne Verzehrzwang, die jedem Menschen
unabhängig vom Einkommen die Teilnahme am sozialen Leben
ermöglichen.
Sehr viel seltener als von der Freiheit ist in Deutschland
von der Verantwortung die Rede, obwohl sie das
notwendige Pendant zur Freiheit bildet: Die Freiheit endet dort
oder sollte zumindest dort enden, wo ihre
Inanspruchnahme anderen Menschen schadet, sei es direkt oder
indirekt, sei es derzeit oder zukünftig lebenden Menschen. Dafür
trägt der freiheitsliebende Mensch Verantwortung. Die
Freiheit sollte also nicht erst dort enden, wo
ein einzelner Mensch konkret und nachweisbar geschädigt wird und
sofern ein Gesetz existiert, das exakt für diesen Schaden
Sanktionen vorsieht. Vielmehr sollten wir alle uns gemäß der
Goldenen Regel verhalten und nichts zum Nachteil anderer –
auch von Menschen in wirtschaftlich schwächeren Staaten und von künftigen Generationen –
tun, und zwar auch dann nicht, wenn dieses Tun legal ist.
In den letzten Jahrzehnten haben wir allerdings immer wieder
erlebt und erleben es immer noch, dass von Unternehmen – in der
Regel bewusst zwecks Gewinnmaximierung/Kostenvermeidung – und
von Konsument*innen – häufig fahrlässig oder sogar
zwangsläufig und ohne böse Absicht – gegen diese Regel verstoßen
wurde und wird. Dass wir als Bürger*innen, Kolleg*innen,
Nachbar*innen usw. anderen Menschen nicht absichtlich schaden,
sondern eher hilfsbereit sind, wie auch wir nicht geschädigt
werden möchten und uns Hilfe für den Fall erhoffen, dass wir sie
benötigen, sollte selbstverständlich sein.
Bei etlichen Unternehmen ist das Agieren zum eigenen Vorteil und zum
Nachteil anderer offensichtlich: Die Erdöl, Erdgas
oder Kohle fördernden oder verstromenden Unternehmen und
Staaten, aber auch Stahlunternehmen und Kraftfahrzeughersteller
relativieren oder leugnen seit Jahrzehnten trotz eigener
gegenteiliger Erkenntnisse den menschengemachten Klimawandel und
seine Folgen. Sie haben damit zum eigenen finanziellen
Nutzen und zum Schaden aller anderen Menschen und künftiger
Generationen die Bekämpfung des Klimawandels erheblich verzögert
und verzögern ihn immer noch. Die Automobilindustrie täuschte und
täuscht
offenbar nach wie vor zudem die Verbraucher*innen über die
Höhe des Schadstoffausstoßes und die
Höhe des Spritverbrauches.
Die Lebensmittelindustrie verkauft den
Verbraucher*innen ernährungsphysiologisch minderwertige, viel zu
fettige oder zu salzige oder zu süße, bei häufigem Verzehr
gesundheitsschädliche Produkte wahrheitswidrig als unbedenklich
oder sogar als gesundheitsförderlich und trägt damit wesentlich
zu Übergewicht und Fehlernährung und damit zur Entstehung von
Krankheiten, Behandlungskosten und vorzeitigen Todesfällen bei. Die
Bekleidungsindustrie bringt die Verbraucher*innen dazu, in immer
kürzeren Abständen immer mehr meist minderwertige und kurzlebige
"modische" Kleidungsstücke zu kaufen, deren
Produktion und Entsorgung die Umwelt belasten und die in
Billiglohnländern zu Niedrigstlöhnen unter in Deutschland
verbotenen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.
Das
Unternehmen
Lieferando baut Schattenwebseiten von
Gastronomiebetrieben auf und kommt so an Aufträge, für deren
Erledigung die Gastronomen an Lieferando zahlen müssen. Dass
die Kund*innen bei Google zuerst auf die Webseitenkopie von
Lieferando und nicht auf das Original des Gastronomiebetriebes
stoßen, beruht wiederum darauf, dass Google bei der Platzierung
auf der Trefferliste die umfangreichen Websites großer und
bekannter Unternehmen gegenüber kleinen Websites bevorzugt (zu
Google:
Reguliert die Internetriesen!). Für etliche andere
Unternehmen und ganze Branchen – z. B. Finanzdienstleistungen,
Versicherungen, Immobilienwirtschaft, Agrarwirtschaft,
Pharmaindustrie, "soziale" Medien und natürlich Werbewirtschaft
– gilt ebenfalls, dass ihr Geschäftsmodell zu einem guten Teil
darauf beruht, Menschen zu übervorteilen, sie zu belügen und
ihnen zu schaden.
Bei den Verbraucher*innen ist das Agieren zum eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer oft
nicht so offensichtlich, aber immer, wenn wir etwas kaufen,
dessen Herkunft und Produktionsprozess wir nicht kennen – also
fast immer –, müssen wir damit rechnen, dass das Produkt unter
Bedingungen hergestellt wurde, die den Arbeiter*innen, der
Umwelt, dem Klima, generell der Natur und künftigen Generationen
Schaden zufügen. Die einzelnen Verbraucher*innen können in der
Regel nicht wissen und auch nicht oder zumindest nicht mit
vertretbarem Aufwand herausfinden, welche Produkte ethisch
unbedenklich sind. Der Preis kann ein Anhaltspunkt sein, ist
aber kein verlässlicher Indikator: Selbst teures Biofleisch kann
von Tieren stammen, die nicht artgerecht gehalten und nicht
schnell und schmerzlos getötet wurden, und teure Kleidungsstücke
von Edelmarken können gleichwohl in Bangladesch oder anderen
Niedriglohnländern unter Missachtung von Arbeits- und
Umweltschutz gefertigt worden sein.
Anhaltspunkte können auch
Gütesiegel sein, aber die Siegel decken in der Regel nicht
alle Herstellungsaspekte (Umweltschutz, Arbeitsbedingungen,
fairer Anteil am Verkaufspreis etc.) ab, sind zahlreich und
damit unübersichtlich und manchmal auch irreführend. Und wer
möchte z. B. beim Hosen- oder Schuhkauf seine Kaufentscheidung
von einem Gütesiegel abhängig machen und nicht davon, ob die
Hosen/Schuhe gut passen und gut aussehen? Als Verbraucher*in
sollte man deshalb, wenn man Herkunft und Herstellungsprozess
nicht genau oder gar nicht kennt, am besten nur das kaufen, was
man wirklich benötigt, und nicht Überflüssiges. Damit reduziert
man am ehesten die Gefahr, mitschuldig zu werden.
Eine befriedigende Lösung ist der individuelle
Konsumverzicht freilich nicht, auch wenn es natürlich löblich ist, um der Umwelt
und des Klimas willen weniger Fleisch zu essen, kein
überflüssiges Zeug zu kaufen, nicht mit dem Flugzeug zu
verreisen und möglichst wenig ein möglichst sparsames Auto zu fahren. Letztlich führt
der individuelle Verzicht relativ weniger besonders
verantwortungsbewusster Menschen aber kaum dazu, dass viel
weniger Treibhausgase ausgestoßen, viel weniger Nutztiere
gequält und die Arbeiter*innen in Afrika, Asien, Amerika oder
Osteuropa viel weniger ausgebeutet und geschädigt werden. Auf
etliche für den Klimaschutz wichtige Faktoren haben die
einzelnen Verbraucher*innen auch überhaupt keinen Einfluss:
Mieter*innen z. B. können in der Regel weder die Heizungsart
noch den Dämmungsgrad des Hauses bestimmen. Und kein*e
Konsument*in kann Energie- und Industrieunternehmen, die
größten Kohlenstoffdioxidemittenten, dazu zwingen, ihren
Ausstoß zu reduzieren. Das können nur Politiker*innen.
Es kann deshalb im Wesentlichen nicht die Aufgabe der
Verbraucher*innen sein, sich darum zu kümmern, dass die Produkte, die
sie kaufen, ethisch einwandfrei hergestellt wurden und dass sie
generell nicht ungewollt unethisch handeln, sondern es ist
Aufgabe der Politiker*innen, die Interessen der Bevölkerung u.
a. hinsichtlich Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz durch
Gesetze und Verordnungen sowie durch genügend und kompetente
Kontrollorgane durchzusetzen. Dass etliche unserer
Politiker*innen den Klima-, Umwelt- und Tierschutz und den
Schutz von Arbeiter*innen in Entwicklungs- und Schwellenländern
möglichst auf die Verbraucher*innen abwälzen
möchten, um sich nicht mit Manager*innen und Eigentümer*innen von Unternehmen
anlegen zu müssen, denen Umwelt-, Klima-, Natur-,
Tier-, Verbraucher*innen- und Arbeitnehmer*innenschutz
und auch so ziemlich alles andere, was ihre Gewinne mindern
könnte, lästig bis verhasst sind, ist ein großes Problem. Ein
weiteres Problem ist, dass es sogar Politiker*innen gibt, die im Interesse von Unternehmen
Gesetzesinitiativen zum Klima-, Umwelt-, Natur-, Gesundheits-
und Tierschutz aktiv hintertreiben.
Was aber sollten jene
Politiker*innen, die sich dem langfristigen Wohl der
Gesamtbevölkerung und nicht dem kurzfristigen Wohl einzelner
Unternehmen oder Branchen oder Bevölkerungsgruppen verpflichtet
wissen, tun, um einerseits die Freiheit des Einzelnen und
andererseits die Wohlfahrt der Gesamtbevölkerung und künftiger
Generationen zu schützen?
Lösungsvorschläge
Etliche Vorschläge, um ein hohes Maß an individueller Freiheit
mit der Freiheit und Wohlfahrt der anderen Menschen und mit dem
Gemeinwohl vereinbar zu machen, wurden bereits in früheren
Texten, u. a. in
Schwächen der Demokratie und die Liste des Odysseus,
Was tun gegen
Populisten? und
Paradigmenwechsel, passim genannt. Sie erneut zu skizzieren
wird gleichwohl nicht schaden. Das langfristige Ziel aller
Bemühungen muss ein Wertewandel sein: Die derzeitige Fixierung
großer Teile der Bevölkerung und insbesondere der
wirtschaftlichen Elite auf materielle Werte, konkret auf Konsum
und/oder die Anhäufung von Besitz, muss ersetzt werden durch die
Wertschätzung befriedigender oder besserer sozialer Beziehungen und befriedigender
oder besserer, nicht nur
dem Gelderwerb dienender Tätigkeiten.
Der Wettbewerb muss fair und so gestaltet werden,
dass nicht die Gewinner alles bekommen und die Verlierer ins
Bodenlose stürzen. Jeder arbeitsfähige Mensch sollte die
Möglichkeit haben, eine sinnvolle und gesundheitlich
unbedenkliche Arbeit auszuüben – und davon ohne Geldsorgen leben
können. Und auch wer nicht (mehr) oder nur eingeschränkt
arbeiten kann, sollte so viel Geld erhalten, dass sich sein
Leben nicht darin erschöpfen muss, in einem Wohnklo zu hocken
und fernzusehen oder zu surfen.
Finanzierbar sind solche Leistungen für Menschen mit
schweren Behinderungen, arme Rentner*innen, Kinderreiche oder
Alleinerziehende durchaus, denn Geld ist in
Deutschland reichlich vorhanden, wie die
Höhe des Geldvermögens der privaten Haushalte in Deutschland,
der boomende Aktienmarkt und der boomende Immobilienmarkt
zeigen. Das
Einkommen in Deutschland und vor allem das
Vermögen in Deutschland sind allerdings sehr ungleich
verteilt und es sollte deshalb – nicht nur
aus ethischen
Gründen, sondern auch um der politischen Stabilität
Deutschlands willen – zumindest so weit über
Steuern/Sozialausgaben umverteilt werden, dass niemand in
Deutschland Not leiden oder gar auf der Straße leben muss.
Initiiert und gefördert werden kann und sollte ein solcher
Wertewandel von Schule und Medien. Aufgabe der Schule ist ja
nicht nur die Vermittlung von Wissen und Können, sondern auch
die
Wertevermittlung. Schüler*innen und Lehrer*innen können und
sollten im Ethikunterricht und/oder im Fach Gemeinschaftskunde
und/oder im Fach Glück, das an manchen Schulen angeboten wird,
darüber reflektieren, was das Leben lebenswert macht, wie viel
oder wie wenig Reichtum, Macht, Prominenz, Prestige usw. dazu
beitragen, was sonst noch oder eventuell wichtiger im Leben ist
– z. B. Freundschaft, Liebe, Selbstbestimmung, Naturnähe, sinnvolle
Tätigkeiten, Hobbys, Muße – und wie eine Gesellschaft und ein
Staat beschaffen sein müssen, die nicht nur den von Geburt an
begüterten und/oder von den Genen
begünstigten, sondern allen Bürger*innen ein gutes Leben
ermöglichen.
Auch die sogenannten Qualitätsmedien, also jene Zeitungen,
Zeitschriften, Fernseh- und Radiosendungen sowie jene
journalistisch betreuten Websites, die sich bemühen, ihre Leser-
und Hörer*innen wahrheitsgemäß, sachlich und vielseitig zu
informieren, können und sollten falsche Vorstellungen, z. B. von
einem geglückten Leben oder vom eigenen Anteil an der Ausbeutung
von Menschen und Natur, sowie falsche Wertungen, z. B. die Wertung von
Reichtum als Ergebnis allein von eigener Leistung statt – auch
und häufig ganz wesentlich – von glücklichen Umständen und von geschickter –
durchaus meistens legaler –
Übervorteilung anderer Menschen, und natürlich Fehlinformationen korrigieren.
Im Internet haben mit
Facebook, Twitter, Instagram usw. die sogenannten sozialen Medien
ihren Siegeszug angetreten. Die Grundidee dieser Plattformen,
nämlich Selbstdarstellung und Kommunikation übers Web zu
ermöglichen, ist im Prinzip nicht schlecht, aber leider erlauben
und verbreiten die Betreiber, um die Nutzer*innen möglichst
lange auf der Plattform zu halten und dabei dank
personalisierter Werbung Einnahmen zu generieren, trotz mehrerer
gesetzgeberischer Bemühungen nach wie vor auch reichlich
emotionalisierende
Fake-News bzw. Lügen,
Hassbotschaften, Beleidigungen, Aufrufe zu Gewalt und Mord usw.
Donald Trump durfte über Twitter jahrelang unbehelligt Lügen
verbreiten und Hass schüren; sein Account wurde erst im Januar
2021 gesperrt, nachdem er die Präsidentenwahl 2020 verloren
und seine Anhänger*innen zum Sturm aufs Kapitol aufgestachelt hatte.
Wladimir Putin gelingt es immer wieder, mittels seiner
Troll-Armee in den westlichen Demokratien
Desinformationskampagnen durchzuführen und Wahlen zu
beeinflussen – bei knappen Wahlausgängen möglicherweise
wahlentscheidend. Es bleibt zu hoffen, dass die demokratischen
Staaten die Betreiber von Plattformen und Medien, die solches
zulassen oder sogar unterstützen, endlich per Gesetz zur Einhaltung
journalistischer Basisstandards wie Wahrhaftigkeit und
Sachlichkeit verpflichten, die Einhaltung der Gesetze dann auch
engmaschig kontrollieren und Verstöße zumindest mit hohen, den
Milliardengewinnen der betreffenden Unternehmen angemessenen
Geldbußen ahnden.
Wesentliche Maßnahmen zur Stabilisierung von Demokratien, zur
Sicherung von Zufriedenheit und Freiheit und zur
verantwortungsvollen Zukunftssicherung sind:
- Erziehung zu Reflexion und Selbstreflexion
mit dem wahrscheinlichen Ergebnis u. a. der Erkenntnis, dass
materielle Sicherheit wünschenswert, Reichtum aber
überflüssig ist, sofern er nicht zur Verbesserung des Lebens
der Menschen und der zu Gefühlen fähigen Tiere eingesetzt
wird. Auch dann rechtfertigt der Zweck aber nicht die
Mittel: Reichtum, der durch Lug und Trug sowie durch Ausbeutung
von Mensch und Natur erworben wurde, wird z. B. nicht
dadurch reingewaschen, dass man eine gemeinnützige Stiftung gründet.
- Erziehung zu Verantwortungsbewusstsein.
Wer keine Verantwortung für andere verspürt, tendiert dazu,
sich auf Kosten der Mitmenschen und künftiger Generationen
zu bereichern. Wer geschickt in Geschäften ist und keine
Skrupel hat, kann ganz legal Millionen verdienen, indem er
z. B. begehrte und eventuell sogar lebenswichtige Produkte –
z. B. patentgeschützte Medikamente oder auch Schutzmasken zu
Anfang einer Pandemie – zu Preisen verkauft,
die weit über den Herstellungs- und Vertriebskosten liegen,
oder indem er entweder nicht gewinnorientiert denkenden
und/oder nicht oder kaum gewerkschaftlich oder
berufsständisch organisierten Beschäftigten – z. B. Alten-
und Krankenpfleger*innen, Erzieher*innen,
Paketzusteller*innen, in der Gastronomie Beschäftigten,
Reinigungskräften – weitaus weniger Lohn zahlt, als ihnen
nach der Schwere der Arbeit im Vergleich zu anderen
Berufsgruppen wie Banker*innen, Versicherungsvertreter*innen
oder Immobilienmakler*innen zustände.
Was künftige
Generationen betrifft, so leben wir sogar alle derzeit
verantwortungslos, denn Deutschland tut immer noch längst
nicht genug, um auch nur
seinen vereinbarten Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung
zu leisten. Und ziemlich verantwortungslos leben wir in
Deutschland auch hinsichtlich der Arbeiter*innen in
Entwicklungs- und Schwellenländern, die dort zu
Niedrigstlöhnen und weitgehend ohne Arbeitsschutz u. a. für
den deutschen Markt Produkte herstellen. Das
Lieferkettengesetz wird an der Situation einiger dieser
Arbeiter*innen wahrscheinlich zwar etwas, aber nicht viel
ändern und muss nachgeschärft werden.
Zu vermitteln
ist in Kita, Schule und Medien und möglichst auch im
Elternhaus zur Förderung des friedlichen Zusammenlebens der
Menschen und zur Bewältigung weltweiter Bedrohungen wie
Klimawandel und Pandemien also das Wissen darum, dass Menschen
aufeinander angewiesen sind und kooperieren müssen, wenn sie
überleben wollen, und dass sich aus der Kooperation
gegenseitige Rechte und Pflichten ergeben und dass es auf
Dauer für die Kooperationswilligkeit und das friedliche
Zusammenleben nicht förderlich ist, wenn sich Menschen
regelmäßig – und durch von ihnen bzw. ihren Lobbyisten
verfasste und vom Gesetzgeber beschlossene Gesetze
legalisiert – deutlich mehr von dem gemeinsam Erarbeiteten
zuschanzen, als ihnen nach ihrem Arbeitsaufwand und ihrem Beitrag
zum Ergebnis der Kooperation
zustände.
- Ausbildung gemäß den Fähigkeiten und Neigungen,
und das nicht nur bei den Kindern wohlhabender und
gebildeter Eltern, sondern auch bei den Kindern armer und
ungebildeter, sogenannter sozial schwacher Eltern. Da solche
Eltern ihre Kinder bei den Hausaufgaben nicht unterstützen
und häufig noch nicht einmal das heutzutage notwendige
Lernequipment bezahlen können, sind Ganztagsschulen und
anschließend ausreichende Ausbildungsbeihilfen – bei
Studierenden BAföG in existenzsichernder Höhe –
erforderlich.
- Garantie materieller Sicherheit für
Kranke, Arbeitslose, Alleinerziehende, Erwerbsunfähige,
Rentner*innen und natürlich Beschäftigte. Der Mindestlohn muss so hoch sein, dass ein
Single davon problemlos leben kann und nach dem Berufsleben
eine ausreichende Rente erhält. Kinder und Elternteile,
die sich um ein Kleinkind kümmern, sollten eine eigene
finanzielle Absicherung erhalten. Kinder von sogenannten
sozial schwachen Eltern müssten in Kita und Schule bei
Bedarf gezielt gefördert werden.
- Schutz vor Verbrechen. Außer vor
äußeren Feinden muss der Staat seine Bürger*innen auch vor
Gewalttäter*innen und sonstigen Verbrecher*innen schützen.
Andernfalls ist das Gewaltmonopol des Staates nicht zu
rechtfertigen (vgl. dazu u. a.
Staatliches
Gewaltmonopol und Pflichten des Staates). Und wenn der
Staat ein Verbrechen nicht hat verhindern können, muss er
dem Opfer zumindest den erlittenen Schaden so gut wie
möglich ersetzen. In Deutschland ist die Aufklärungsrate von
Verbrechen nicht befriedigend: Diebstähle und Einbrüche,
Abzocke zumeist von Senior*innen durch Telefonbetrüger*innen
sowie Cyberkriminalität
werden meistens nicht aufgeklärt, Geldwäsche wird in der
Regel nicht einmal wahrgenommen, Wirtschaftsverbrechen
werden wegen des Ermittlungsaufwandes höchstens ungenügend
aufgeklärt und die Verfahren meistens auf der Basis von
Deals zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung beendet, Morde werden vielfach
übersehen:
Niels Högel konnte mindestens 85 Menschen
umbringen, ohne dass auf den
Leichenschauscheinen auch nur
ein einziges Mal zumindest "ungewisse Todesursache"
angekreuzt worden wäre.
Absehbare oder sogar
glaubhaft angekündigte Gewalttaten werden nicht verhindert:
Der bereits inhaftierte Abdullah al Haj Hasan wird
freigelassen und muss nicht in Sicherungsverwahrung, obwohl
er glaubhaft versichert, "Ungläubige" töten zu wollen, und
sticht kurz darauf auf zwei schwule Männer ein, von denen
einer stirbt und der andere schwer verletzt überlebt. Dass die überlebenden Opfer von
Gewalttaten und/oder die Hinterbliebenen aufgrund des
Opferentschädigungsgesetzes in der Regel angemessen –
und nicht nur für einen Bruchteil des tatsächlich erlittenen
Schadens – entschädigt werden, darf bezweifelt werden.
Im Dienst von Polizist*innen begangene Straftaten – in
der Regel ungerechtfertigte oder übermäßige
Polizeigewalt, manchmal mit Todesfolge – werden in
Deutschland so gut wie nie bestraft und in den meisten
Fällen nicht einmal angezeigt, weil die Geschädigten wissen,
dass die Kolleg*innen der Straftäterin / des Straftäters aus
falsch verstandenem Korpsgeist heraus schweigen oder falsch
aussagen werden und das Opfer sogar mit einer
ungerechtfertigten Gegenanzeige z. B. wegen Widerstands
gegen die Staatsgewalt und/oder Beleidigung rechnen muss. Da
die Staatsanwaltschaft auf die Zusammenarbeit mit der
Polizei tagtäglich angewiesen ist, bemüht auch sie sich in
der Regel, eine Verurteilung von Polizist*innen zu
verhindern. Die Gegenmittel sind bekannt, werden in
Deutschland in den meisten Bundesländern aber nicht angewandt: sorgfältigere Auswahl von
Bewerber*innen für den Polizeidienst, regelmäßige
Supervisionen, unabhängige Ermittlungsstellen, unabhängige
Spezialstaatsanwaltschaften.
- Schutz vor Unternehmen. Der Macht der
Konzerne steht die einzelne Verbraucherin / der einzelne
Verbraucher ziemlich hilflos gegenüber. Vor teuren und
langen Zivilprozessen eventuell durch mehrere Instanzen, die
sich ein großes Unternehmen problemlos leisten kann,
schrecken die meisten übervorteilten Konsument*innen aus
nachvollziehbaren Gründen zurück. Bei gravierenden
Schädigungen und hinreichender Aussicht auf Erfolg sollten
deshalb die
Verbraucherzentralen generell den Prozess
stellvertretend für die/den Geschädigte/n und für diese/n
kostenlos führen dürfen – nicht nur bei
Musterfeststellungsklagen u. Ä. – und im Erfolgsfall vom
beklagten Unternehmen fürstlich bezahlt werden müssen.
Außerdem sollte der Staat, um Konflikten vorzubeugen,
die Unternehmen bei der Information der Kund*innen vor dem
Kauf nicht nur zur Wahrheit verpflichten – in der
Theorie eine Selbstverständlichkeit, in der Praxis zumindest
bei Endkonsument*innen wohl eher
nicht –, sondern auch zur Klarheit: Dass Unternehmen heikle
Punkte im Kleingedruckten verstecken und die Kundin / den
Kunden damit faktisch täuschen, sollte verboten sein. Bei
komplizierten und teuren Produkten, z. B. in den Bereichen
Versicherungen und Finanzen, sollte der Staat solide
Standardprodukte vorgeben, die frau/man wählen kann, wenn
frau/man sich das Vergleichen von Produkten auf
Gebieten, auf denen sie nicht Fachleute sind, ersparen
wollen.
- Schutz vor Desinformation. Eine
Demokratie, die sich nicht gegen Lügner*innen wehrt, wird
zerstört werden: Den Lügner*innen wird geglaubt werden, sie
werden gewählt werden und dann über kurz oder lang
Rechtsstaat und Demokratie beseitigen. Man muss nicht bis
1933 zurückgehen, um dafür Belege zu finden, sondern braucht
bloß z. B. nach Ungarn unter Viktor Orbán, Polen unter der
Herrschaft der PiS, die Türkei unter Recep Tayyip Erdoğan
oder gar Russland unter Wladimir Putin zu
schauen. Sogar in den USA gab es am 6.1.2021 einen
durch die Lügen des damals noch amtierenden Präsidenten
Donald Trump ausgelösten Staatsstreichversuch. Noch
etliche Monate später
glaubt ungefähr ein Viertel der Bevölkerung der USA – und
die Mehrheit der Wähler*innen der Republikaner –, dass
Donald Trump der Sieg "gestohlen" wurde. Die
Lügner*innen sind gegenüber jenen, die die Lügen widerlegen,
klar im Vorteil, denn es ist in der Regel viel leichter,
eine Lüge in die Welt zu setzen und zu verbreiten, als die
Lüge überzeugend zu widerlegen und die Widerlegung
anschließend allen Menschen zu vermitteln, die inzwischen
die unwahre Behauptung für wahr halten.
Deshalb
ist es notwendig, das öffentliche Lügen unter Strafe zu
stellen. Lügen sind keine Meinungen, sondern bewusste
Falschbehauptungen – in Wirtschaft und Politik in der Regel
mit dem Ziel, sich selbst Vorteile zu verschaffen und
Konkurrent*innen zu schaden. Wenn also Energie- und
Industrieunternehmen aus wirtschaftlichem Eigeninteresse
behaupten, den menschengemachten Klimawandel gebe es nicht
oder er sei nicht so schlimm, obwohl sie seit Jahrzehnten
aufgrund der Erkenntnisse ihrer eigenen Forscher*innen
wissen, dass diese Behauptung falsch ist, sollten die
Verantwortlichen dafür bestraft werden, und zwar in Relation
zu dem Schaden, den sie dadurch angerichtet haben und immer
noch anrichten. Gleiches sollte für die Verantwortlichen in
Lobbyorganisationen wie der
Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die
maßgeblich von der deutschen Metall-, Elektro- und
Automobilindustrie finanziert wird, gelten, die immer wieder
gerade in Wahlkampfzeiten eindeutige Lügen verbreitet, z. B.
in einer
Kampagne gegen Annalena Baerbock und die Grünen.
Ebenso sollten Politiker*innen, die
nachweisbar Unwahres behaupten, dafür zur Rechenschaft
gezogen werden (vgl. dazu u. a.
Was tun gegen
Populisten?). Dass Journalist*innen nicht lügen, sollte
eigentlich aufgrund ihres Berufsethos selbstverständlich
sein, ist es aber leider nicht bei allen Zeitungen und Zeitschriften,
insbesondere nicht bei der sogenannten Boulevardpresse. Auch
in diesem Falle sollten die Verantwortlichen belangt werden,
und zwar nicht nur bei eindeutigen Lügen, sondern auch – was
viel häufiger vorkommt – bei Verdrehungen, Auslassungen
usw., die insgesamt dazu führen, dass der Leserin / dem
Leser Unwahres als wahr suggeriert wird.
Auf die
notwendige Regulierung der sogenannten sozialen Medien habe
ich bereits hingewiesen (vgl. auch
Reguliert die Internetriesen!). Was außerhalb des Internets
bzw. sogar innerhalb des Internets auf den Webseiten
seriöser Informationsanbieter nicht statthaft ist, nämlich
Lügen, Beleidigungen, Verleumdungen, Bedrohungen, Hetze,
Aufrufe zur Gewalt usw., sollte auch im Internet
grundsätzlich nicht
zugelassen, sondern sanktioniert werden, und die Strafe
sollte nicht nur die Verfasser*innen der Postings treffen –
sofern man ihrer überhaupt habhaft werden kann, was z. B.
bei Putin-Trollen in Russland oder bei Influencer*innen, die
in Übersee leben, sehr unwahrscheinlich ist –, sondern auch
die Plattformen, die die strafbaren Postings veröffentlichen und
verbreiten.
- Vorsorge für die Zukunft. Die meisten
Menschen denken nicht Jahrzehnte oder Jahrhunderte voraus,
und bis zum Beginn des Industriezeitalters war das auch nur
in Maßen nötig, denn die Menschheit hatte nicht die Macht,
sich selbst – und zugleich viele andere Lebewesen –
vollständig zu
vernichten. Das hat sich geändert, und zwar nicht nur durch
biologische und chemische Kampfstoffe sowie Atomwaffen,
sondern auch durch die nach den Maßstäben der jeweils
lebenden Menschen eher langsame, nach geologischem
Zeitmaßstab aber rasent schnelle Umgestaltung der Welt durch
den Menschen und
durch die
menschengemachte Erderwärmung im
Anthropozän.
Da die Menschen die verheerenden
Folgen ihres Handelns nicht sofort selbst spüren, ist es
trotz aller wissenschaftlichen Belege bei einem
nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung schwierig, ihn zu
Verhaltensänderungen zu bewegen, die als
Einschränkungen empfunden werden,
bzw. zur Hinnahme von Verordnungen und Gesetzen zum Klima-,
Umwelt- und Naturschutz, die mit materiellen Verlusten, z. B.
durch höhere Strompreise, oder auch nur mit Änderungen des
Gewohnten, z. B. des Landschaftsbildes durch
Windräder, verbunden sind.
Um den Widerstand zu
minimieren, ist es zum einen wichtig, Ängste und
Unsicherheiten in materieller Hinsicht abzubauen, also für
soziale Sicherheit zu sorgen, und zum anderen
sicherzustellen, dass Desinformationskampagnen unterbunden
werden und glaubwürdige Vertreter*innen der Wissenschaft
oder glaubwürdige und kompetente
Wissenschaftsjournalist*innen den Nichtfachleuten, die wir
alle hinsichtlich aller Fachgebiete außer des eigenen, in
der Regel recht engen Fachgebietes nun einmal sind, die
Erkenntnisse der Wissenschaften verständlich zu vermitteln und
die daraus gemäß Verantwortung und Vernunft zu ziehenden
Konsequenzen zu verdeutlichen.
Sollte bezüglich
Erderwärmung, Umweltverschmutzung, Ressourcenverschwendung,
Vernichtung natürlicher Lebensräume und Artensterben nicht
möglich sein, was bezüglich Corona zumindest in Deutschland
trotz aller Versäumnisse, Fehleinschätzungen, Unzulänglichkeiten, Unvernunft, Egoismen und
Widerstände insgesamt eben doch
möglich war, nämlich Rücksichtnahme, Solidarität und Veränderungen
aufgrund von Einsicht und Verantwortungsbewusstsein, um Leid
zu vermeiden und Leben zu retten?
Entstehungszeit: Juni 2021
nach oben
|